Film

Das Bildrausch Filmfest fand zum neunten Mal in Basel statt

Schwierige Themen, lebendige Umsetzung

Vom 19. bis 23. Juni lud das Bildrausch Filmfest zum neunten Mal dazu ein, filmische Entdeckungen zu machen. In der Basler Innenstadt waren internationale, anspruchsvolle Produktionen zu sehen.

Filmstill aus „Love Me Not“ von Luis Miñarro.

Immer wieder politisch, niemals einfach, so kann man zumindest versuchen, das vielfältige Programm des Bildrausch Filmfests zu fassen. Seit 2011 bringt das Festival internationales Autorenkino nach Basel. Viele, bereits international gefeierte Beiträge sind darunter, die in Basel ihre Schweizer Premieren erhalten. Konsumkino findet man keines, Publikumslieblinge nicht immer, Inspiration und Anspruch aber allemal. Und unterhaltsam sind dann doch einige der Filme, auch jene mit schwierigeren Themen wie etwa Susanne Heinrichs Identitätsdrama „Das Melancholische Mädchen“, das gar nicht melancholisch und eigentlich auch kein richtiges Drama ist. Stattdessen begleiten wir eine junge Frau durch buntschrille Bilder, die vor allem Leben bedeuten.

Wild, unbezähmbar, so eher sind viele der vorgestellten Filme. Sieger des Wettbewerbs Cutting Edge war Angela Schanelecs „Ich war zuhause, aber“. Ein nur vermeintlich trauriges Kammerspiel über eine alleinerziehende Mutter, die dem Tod ihres Mannes und ihren Kindern kraftlos gegenübersteht. Schanelec macht daraus ein fragmentarisch-theatrales Bühnenstück voller Absurdität. Wenn die Trauer zu stark wird, stellt sich Entfremdung ein und wenn alles vollkommen fremd wird, wird es auch amüsant. Das Kino des Festivals traut sich, solche Barrieren zu überschreiten und seine ZuschauerInnen zu konfrontieren.

Ein Beispiel dafür ist auch Nikolaus Geyrhalters Dokumentation „Die bauliche Maßnahme“. An der Grenze Österreich/Italien soll ein Grenzzaun Geflüchtete aufhalten. Kein einfaches Thema, vor allem nicht, wenn Geyrhalter all die rassistischen Ressentiments der Befürworter des Zauns vorführt. Aber auch hier bleibt Komik. Keine einfache, bei der sich Gegner des Zauns gemütlich über die „Bösen“ lustig machen, sondern eine, die den Größenwahn rassistischer Bauunternehmungen ganz beiläufig aufscheinen lässt. Bilder wie das des ewig in Containern konservierten Grenzzauns, der einfach nicht aufgezogen wird und eine wahnhafte Fantasievorstellung zu bleiben scheint.

Gerade Dokumentationen bilden einen Schwerpunkt des diesjährigen Filmfests. Das Schweizer Regieduo Reni Mertens und Walter Marti erhält eine filmische Retrospektive. Deutlich wird an ihrem Werk, welche Kraft humanistisches Kino hat, das nicht in schablonisierter Anti-Haltung verharrt, sondern provokant und ästhetisch präzise Ungerechtigkeiten im Bilde hält. Wegschauen ist unmöglich und dann braucht es auch keinen Kommentar. Gleiches gilt für die Retrospektive zum italienischen Dokumentarfilmer Gianfranco Rosi. Mit seiner Form des „Direct Cinema“ stellt er die Unverhältnismäßigkeiten unserer Welt ohne Urteil dar. In beiden Retrospektiven sehen wir Menschen, die ihr Leben bestreiten müssen, als Kriminelle, Behinderte oder tief religiöse Personen. Sie erhalten alle ihren Raum, was die Filme mitunter schmerzhaft unmittelbar sein lässt.

„Ursula oder das unwerte Leben“ heißt ein Film von Mertens/Marti über ein schwerbehindertes Mädchen, das ausgesondert von der Gesellschaft seinen eigenen Weg beschreitet. Ein Film, der zeigt, mit welcher Offenheit die RegisseurInnen tiefliegende Probleme unserer Gesellschaft adressieren.
Aber es sind nicht nur die Themen, sondern auch die Inszenierungen, die in Erinnerung bleiben. Alejandro Landes Film „Monos“ zeigt eine Gruppe junger Paramilitärs in bonbonbunten Bildern, die man auch in einem Musikvideo sehen könnte. Anna Odells „X&Y“ spielt die Geschlechterrollen nicht mithilfe eines Ensembles, sondern mit zwei enorm wandlungsfähigen Schauspielern durch. Und Luís Miñarros „Love Me Not“ erzählt die biblische Geschichte rund um die begehrte wie impulsive Salome als furios montiertes, surrealistisches Popmärchen, bei dem alle Klischees unbestätigt bleiben, vielmehr mutig durcheinander gewirbelt werden.

Mit einem breiten Rahmenprogramm bot das Bildrausch Filmfest auch viele Möglichkeiten, mit den FilmemacherInnen direkt ins Gespräch zu kommen. Eine familiäre Atmosphäre gehört dazu. Sei es beim gemeinsamen Tafelessen, Tischkickerspielen oder dem unkonventionellen Formel-Super-8-Projektorenrennen. Das passt zum Filmprogramm: Auch bei den schwierigsten Themen geht es um das Spielerische, das Naive und Neugierige. Das Bildrausch Filmfest bleibt all dem verschrieben und gelangt damit an Orte, wie sie das Kino liebt.

Bildquellen

  • kultur_joker_bildrausch_filmstill_love_me_not_luis_minarro: Luis Miñarro