Zeitreise durch 1500 Jahre Kirchengeschichte
„Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ – Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim
Das Gemälde zeigt einen Mann, der in einem Glaskasten sitzt, den Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet. Francis Bacons moderne, düstere Vision des päpstlichen Amtes ist der abschließende Höhepunkt einer hochkarätig ausgestatteten Zeitreise durch 1500 Jahre Kirchengeschichte, die bis 31. Oktober in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen ist.
Mit der über drei Stockwerke reichenden Schau „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ erinnern die Reiss-Engelhorn-Museen daran, dass es bis zur Reformation eine einheitliche, westeuropäische Kirche gab, deren Anfänge bis in das antike römische Imperium zurück gehen. Daher kommrt die Betonung auf der „Einheit der lateinischen Welt“ im Titel der Ausstellung.
Dank der Zusammenarbeit mit dem Vatikan lassen antike Zeugnisse wie Teile von Sarkophagen oder höchst wertvolle Papyri und andere Handschriften den Ursprung der katholischen Kirche und des Papsttums lebendig werden. Rom war nicht der einzige frühchristliche Bischofssitz. Aber die enge Verbindung, die unter Kaiser Konstantin zwischen Staat und der christlichen Religion eingegangen wurde, und der direkte Bezug zum Märtyrertod der Apostel Petrus und Paulus in Rom führten dazu, dass der Bischof von Rom den Vorrang für sich beanspruchte. Durch Filme kann man einen Blick in römische Katakomben werfen, erahnen, wie das Grabmal des Petrus aussah, und man sieht die Wandlung von der prächtigen antiken Zentrale des Imperium Romanum zum Sitz des geistlichen Oberhaupts der lateinischen Welt.
In Mannheim konzentriert man sich auf die entscheidenden Momente, die Höhepunkte und die Krisen, des Papsttums. Nach dem Ende des römischen Imperiums brauchten die Päpste dringend eine weltliche Schutzmacht mit entsprechender Militärgewalt. Man schloss einen Deal mit den „Barbaren“ aus dem Norden. Die fränkischen Könige wurden vom Papst zu Kaisern gekrönt, dafür standen die Päpste unter deren Schutz. Der Machtanspruch der Päpste wuchs, bald standen sich Kaiser und Papst in erbitterter Konkurrenz gegenüber. In reich bebilderten mittelalterlichen Chroniken und Mosaiken werden die Kontrahenten und die mittelalterliche Weltsicht greifbar.
Neben der eindrucksvollen Prachtentfaltung, schön zu sehen anhand des Grabmals und der Grabbeigaben von Papst Clemens II., werden auch die Probleme angesprochen. Das – unfreiwillige – Exil der Päpste in Avignon. Oder die Reformbestrebungen der Albigenser, Waldenser und ähnlicher Gruppierungen, die eine Rückkehr des verweltlichten Klerus zu den christlichen Wurzeln forderten. Immer wieder macht die Ausstellung deutlich, dass der Anspruch, Christi Stellvertreter auf Erden zu sein, schnell zu einem sehr menschlichen Scheitern führen konnte.
In der Renaissance wandelte sich der Vatikan in einen Fürstenstaat. Einer der Päpste war selbst erfolgreicher Heerführer, ein anderer konnte seinen unehelichen Sohn ins Feld schicken. Der berühmt-berüchtigte Borgia-Papst hängt als Porträt in Mannheim, daneben die Medici-Päpste. Es war ein Gipfel der Selbstinszenierung, der nebenbei Rom zu einer Metropole von Kunst und Architektur machte. In Mannheim sind auch Karikaturen aus dieser Zeit zu sehen, die verraten, wie der Kirchenstaat zwischen den damaligen europäischen Großmächten zerrieben wurde. Und wie der großartige Prunk der Renaissance-Päpste, finanziert durch den Ablasshandel, bei einem gewissen Martin Luther eine Reformbestrebung auslöste, die in der Reformation mündete.
Vor 500 Jahren begann die Entstehung reformierter, nationaler christlicher Konfessionen. Aber das ist eine andere Geschichte, die von den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim ab dem 29. Oktober erzählt wird. Bis dahin kann man anhand der wertvollen Leihgaben und der originalgetreuen Computer-Rekonstruktionen die Wandlungen des Papstamtes und des römischen Stadtbilds nacherleben.
„Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Zeughaus C5.
Bis 31. Oktober 2017.
Nike Luber