Wie wir zukünftig leben könnten
„Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ im Vitra Design Museum
Die Probleme sind hinlänglich bekannt. Die Bevölkerung wächst – wenn auch nicht überall gleich stark – und mehr und mehr unbebaute Flächen verschwinden und werden versiegelt. Wohnraum, insbesondere in den Städten, ist rar und teuer. Dass da die Lösung nicht gerade in dem in Deutschland so beliebten Einfamilienhaus im Speckgürtel einer größeren Stadt liegen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Das Vitra Design Museum reagiert mit der von Ilka und Andreas Ruby kuratierten Ausstellung „Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ auf eine städtebauliche Herausforderung.
Wer den Titel ins Deutsche übersetzt, muss an Lukas Moodyssons Film „Zusammen!“ denken. Es ist wohl kein Zufall, dass beide Titel mit Ausrufezeichen geschrieben sind. Zusammenleben birgt Konfliktstoff. Der Film des schwedischen Regisseurs etwa erzählt von erotischen Verwicklungen, Diskussionen über den Alltag, gelingende und scheiternde Utopien. Dabei musste diese Kommune im Stockholm der 1970er Jahre nicht einmal ein Haus bauen.
Am Beginn des Ausstellungsparcours erinnert die Ausstellung in Weil daran, dass Wohn- und Bauformen eng mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen verbunden sind. Ob frühe Gartenstädte in England oder die studentischen Proteste 1968, immer wurde mit dem Wohnen auch verhandelt, wie Gemeinschaften sich organisieren. Die Schau geht dabei schnell in die Praxis über. Mehrere Architekturmodelle zeigen, wie zeitgemäße oder zukünftige Urbanität aussehen könnte. Eines ist das Moriyama House, das 2005 in Tokio verwirklicht wurde.
Der weiße Quader besteht aus zehn einzelnen Quadern unterschiedlicher Größe, die ineinander gefügt sind und individuelle Zugänge zu den Grünflächen haben. Groß jedoch ist keine dieser Wohnungen, die Mieter verfügen über 16 bis 30 Quadratmeter Raum. Um eine andere Form von Stadt ging es auch dem Büro Müller Sigrist Architekten, das die Zürcher Kalkbreite bebaut hat. Entstanden ist ein Mix aus Wohnen, Arbeiten und Kultur, der auch einen Spielplatz auf dem Dach einschließt. Wichtig war den genossenschaftlich organisierten Mietern auch eine stärkere Durchmischung.
Die in „Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ vorgestellten Beispiele reagieren auf eine sehr inspirierende Weise auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Mal sind Probenräume wie beim Basler Musikerhaus integriert, mal ein Pool, mal sorgt ein Restaurant dafür, dass die Bewohner eines Hauses in Tokio nicht vereinsamen.
Die Ausstellung im Vitra Design Museum wirkt wie eine Achterbahn der Gefühle. Schnell lässt man sich einerseits vom Enthusiasmus der Planer und den ausgeführten Ideen begeistern, andererseits ahnt man Ernüchterung durch detaillierte Auseinandersetzungen, die von kurzen Filmen und Dokumentationen bestätigt werden. Tatsächlich sind die meisten Häuser Projekte von Baugruppen oder Genossenschaften. Streit entsteht da nicht nur wegen des unterschiedlichen Geschmacks, sondern auch wegen der Kosten.
Die Beispiele zwischen Barcelona und Berlin zeigen, dass nicht allein die geringe Größe vieler Wohnungen, sondern auch die basisdemokratischen Prozesse jede Utopie auf den Boden der Tatsachen holen kann. Aber gebaut werden schließlich auch keine Wolkenkuckucksheime.
Annette Hoffmann
Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft.
Vitra Design Museum, Charles-Eames-Str. 2, Weil am Rhein.
Täglich 10 bis 18 Uhr. Bis 10. September.
www.design-museum.de