Kunst

Werke von Reinhard Mucha im Kunstmuseum Basel|Gegenwart

Minimalismus mit Patina

Eine Ausstellung mit Werken von Reinhard Mucha gruppiert sich in Basel um seinen „Frankfurter Block“

Ein bisschen Galerie Grässlin im Museum für Gegenwartskunst, das neuerdings Kunstmuseum Basel|Gegenwart heißt. Und auch ein bisschen Galerie Sprüth Magers. Wer den weißen Kubus betritt, ist mit einer besonderen Form des White Cube aus Massivholzprofilen, Gipskarton, Leuchtstofflampen samt Teppichboden konfrontiert. Es ist ziemlich voll und alles andere als clean.

2012 hat Reinhard Mucha den „Frankfurter Block“ in seiner Galerie Grässlin installiert. Von dort wurde er 2014 samt Kubus nach Berlin transportiert und jetzt ist er in eben diesen Größenverhältnissen in Basel zu sehen. Alles ist zerlegbar und kann an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden.

Der „Frankfurter Block“, der im Zentrum von Muchas Basler Ausstellung steht, setzt sich aus Gouachen, Collagen sowie Skulpturen und Installationen zusammen. Muchas Umgang mit dem eigenen Werk ist so wenig weihevoll, dass er später eine Gruppe wie „Kopf im Sand“ aus den frühen 80er Jahren integrierte. Eine andere Arbeit weist auf seine Akademiezeit zurück. Mucha adaptiert mit Vitrinen und Schaukästen museale, wenn nicht gar historiografische Präsentationsformen, doch sie sind auf schlichten Holzfußbänken aufgebockt. Wenn wir es hier mit Identitäts- und Werkkonstruktionen zu tun haben, dann wissen sie um deren Fragilität und haben ihren Spaß daran.

Reinhard Mucha, der 1950 in Düsseldorf geboren wurde, bespielte 1990 den Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig und war in den 90er Jahren zwei Mal auf der documenta vertreten. Mucha ist ein spröder Künstler, dem man dennoch sofort Humor zugestehen möchte. In seiner Abschlussarbeit, er war Meisterschüler von Klaus Rinke, schließt er das deutsche Akademiesystem mit dem Grimm‘schen Märchen vom klugen Knecht kurz. Sein Meisterschülerbrief vom 15. Januar 1981 ist als Kopie ebenso in die Installation integriert wie seine damalige Arbeit. Und er veranschaulicht plötzlich das autoritäre System, auf dem unsere Gesellschaft fußt.

Muchas Arbeiten haben etwas von der angestaubten Atmosphäre der alten Bundesrepublik. Für seine Werkgruppe „Kopf im Sand“ füllte er um die 600 Coupons aus und forderte Gratis-Werbematerial an. Während in den Vitrinen die nicht geöffneten Briefumschläge der Rücksendungen liegen, reihen sich an der Wand die Fotokopien von Bestellungen aneinander. Sie spiegeln etwas vom Wirtschaftsleben der Jahre vor der Wende wider. Mucha mag im Kern ein Minimalist sein, doch anders als die amerikanischen Vertreter dieser Konzeptkunst verwendet Mucha nur begrenzt industriell normiertes Material. Das verbaut er vor allem in den Displays seiner Ausstellungen. Ansonsten konzentriert er sich auf Objekte mit Patina, die er gebraucht ersteht oder findet.

Für seine Installation „Altbau gegen Neubau“ von 2014 hat er drei mit Stoff bezogene Holzschemel aneinander gelehnt und den ersten der Reihe mit mehreren Zollstöcken aus Aluminium aufgebockt. Die Gemütlichkeit dieser Möbel bekommt plötzlich etwas geradezu Aufgekratztes. Die Materialien, die Mucha einsetzt, sind anders als die der amerikanischen Minimalisten durchaus erzählerisch. Sie berichten von gesellschaftlichen Veränderungen, die mehr als nur Moden sind, sondern von eingreifenden Transformationen in der Arbeitswelt erzählen, die wiederum Auswirkungen auf die Menschen haben.

Reinhard Mucha. Kunstmuseum Basel|Gegenwart, St. Alban-Rheinweg 60, Basel. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr. Bis 16. Oktober.


Annette Hoffmann