Die Fondation Beyeler zeigt eine groß angelegte Ausstellung von Werken Gustave Courbet
Die Welle reiten
Gustave Courbet (1918-1877) war immer ein Maler mit Chuzpe. 1854 malt er sich selbst im Anblick des Meeres: „Le Bord de mer à Palavas“. Die See ist ruhig, der Himmel blank und Courbet, der auf einem Stein steht, lüftet den Hut und winkt. Ein Gruß an das Meer. Nicht, dass Courbet die Verbindung vom Meer und dem Erhabenen unbekannt gewesen wäre. Courbet hat das Meer häufig gemalt und hatte den Ehrgeiz, es in seiner Wandelbarkeit darzustellen, die Welle auf ihrem höchsten Punkt, die Welle, wenn sie einbricht. Beinahe so als ob man es rauschen hören könnte. Übermut steckt in dieser Geste, vielleicht aber doch so etwas wie Ehrerbietung. Schließlich hatte Courbet dem Motiv auch etwas zu verdanken. Sein Ruhm, das Meer annähernd realistisch abbilden zu können, spiegelt sich selbst in Karikaturen. 1870 erschien in einem Magazin die Courbetsche Welle: aus der Klinge seines Palettmessers wächst die Flut.
Im gleichen Jahr als Courbet sich selbst winkend gegenüber der Größe des Meeres darstellt, entsteht mit „La Rencontre“ ein weiteres Bild, das kaum weniger kühn ist. Es zeigt ihn als einsamen Wanderer, der auf einem Feldweg Alfred Bruyas und dessen Diener trifft. Der Bankierssohn Bruyas war ein – auch für Courbet – bedeutender Mäzen. Wie auf dem Bild am Strand trägt Courbet auch hier diesen vorwitzig abstehenden, sorgfältig gestutzten Bart. Die Männer haben die Hüte gezogen und grüßen sich. Es ist ein Zusammentreffen mindestens gleichwertiger Partner, es ist aber der Maler, der in dieser Begegnung das Verhältnis der beiden definiert. Geradezu ungeheuerlich war aber dann, dass er 1866 das Geschlecht einer entblößten Frau malte. „L’origine du monde“ ist auf die geöffneten Schenkel, Bauch und Brustansatz konzentriert. Die Frau liegt auf einem Leintuch, in das vermutlich auch ihr Oberkörper gehüllt ist. Ihre Identität ist nebensächlich, es geht um weibliche Sexualität an sich. Und um nichts weniger als den Ursprung der Welt.
Natürlich ist es eine kleine Sensation, dass die Fondation Beyeler in ihrer Courbet-Ausstellung mit diesem Werk aufwarten kann. Es überrascht zudem, dass die Kunstinstitution, die doch auf die Moderne und zeitgenössische Kunst ausgerichtet ist, eine Werkschau des Franzosen zeigt. Bei der Pressekonferenz charakterisierte Samuel Keller dann auch Gustave Courbet als „Avantgardisten der modernen Kunst“ und mit Jeff Koons und Peter Doig konnte er Künstler aufzählen, die in der Fondation bereits ausgestellt haben, bzw. ausstellen werden und die von diesem Maler beeindruckt sind. „L’origine du monde“ jedoch war lange ein bekannt-unbekanntes Bild. Seine Fama war groß, da nur wenige gesehen hatten, auf welche Art Courbet das weibliche Geschlecht in Szene setzte. Das Bild, das der türkische Diplomat und Sammler Khalil Bey bei Courbet in Auftrag gegeben hatte, war lange der Öffentlichkeit entzogen. 1988 war es in einer Ausstellung erstmals zu sehen und sieben Jahre später erst fand es einen ständigen Platz in der Sammlung des Pariser Musée d’Orsay. Es ist kein Bild, dem man viele Reisen zumutet. In der Fondation Beyeler, in der die Werke Courbets auf weißen Wänden gezeigt werden, hat man sich für eine wohl kalkulierte Hängung mit Understatement entschieden. Man findet „L’origine du monde“ an der Stirnseite der schmalen Galerie. Wirft man einen Blick in sie, entdeckt man es sofort. Es ist umgeben von weiblichen Akten und Blumenstillleben.
Die Nymphen Courbets findet man dann in einem anderen Raum, in der Nähe der Landschaftsmalerei des Künstlers. Wobei auch von dort, den vielen Quellen der Heimatregion Courbets der Franche-Comté, sich ebenfalls eine Verbindung zu „L’origine de monde“ schlagen lässt. Überhaupt ist Courbet ein außergewöhnlicher Landschaftsmaler. Was seine Meeresdarstellungen auszeichnet, trifft man auch in seiner großformatigen Sturmlandschaft „Le Coup de vent“ aus dem Jahr 1865 an. Alles, was sich im Wind wiegen kann, ist in Aufruhr und wird von Courbet mit dem Palettmesser geschichtet, so dass ein fast durchlässiger Eindruck entsteht. Ganz ähnlich jedoch geht er bei den geologischen Formationen des Jura vor, hier setzt er das Messer ein, als wollte er den Stein durch die Malerei erst schaffen. Der Anfang der Welt hat in dieser außerordentlich sehenswerten Ausstellung immer auch etwas mit Malerei zu tun.
Gustave Courbet.
Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Basel/Riehen. Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr. Bis 18. Januar 2015.
Annette Hoffmann