Wir brauchen Utopien: Freiburgs freie Tanz-, Theater-, Performance- und Zirkusszene schlägt bei einem politischen Empfang im E-Werk Alarm
Bestens vernetzt, strukturell supergut aufgestellt, mit Magnetfunktion, viel Renommee und Strahlkraft weit über die Region hinaus – seit der zweiten Förderung (2022-2024) des Tanznetzes Freiburg durch Stadt und Land ist viel passiert, rund 400 000 Euro Landes- und Bundesmittel wurden allein mit dem Tanzpakt nach Freiburg geholt. Leider sind die städtischen Förderstrukturen da nicht mitgewachsen: 45 Anträge mit einem Volumen von 400 000 Euro gab es dieses Jahr, im Topf des Kulturamtes aber waren nur Projektfördermittel von 129 000 Euro für Theater und Tanz insgesamt. Dieses Budget wurde seit 2013 nicht erhöht. Das bedeutet: 11 Projekte gefördert, der Rest abgelehnt. Bitter! Und eine eklatanten Verschärfung der prekären finanziellen Lage vieler Künstler:innen. Wie lange kann ich mir das Kunstmachen noch leisten? Wie lange so chronisch unterfinanziert noch professionelle Qualität liefern? So die dringlichen Fragen beim politischen Empfang der Freien Tanz-, Theater-, Performance- und Zirkusszene im November im E-Werk.
Eingeladen waren die Vertreter:innen der Fraktionen des Gemeinderates – gekommen sind drei. Vielleicht lag´s am Blitz-Wintereinbruch? Der Freiburger Szene und ihrem Aktivismus tat dies allerdings keinen Abbruch. Nach offenem Brief, erfolgreicher Teilnahme am Beteiligungshaushalt, Flashmob und Lobbytrailer kämpfen sie weiter um eine Erhöhung der Fördermittel für Tanz und Theater. Rund siebzig Freiburger Kulturschaffende waren gekommen, mit vielen Kindern, mit und ohne Kostüme. „Wir brauchen Utopien – und Theater sind Orte, um kostengünstig Utopien zu probieren“, davon ist Tom Schneider als Regisseur und Mitglied des Kollektivs Farn überzeugt. Zusammen mit Schauspielerin und Performerin Tjadke Biallowons moderierte er das Gespräch, um noch einmal Fakten und Forderungen darzulegen. Denn was bedeutet es, wenn der Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e.V. (LaFT BW) zwar eine Empfehlung für Honorar-Untergrenzen gibt, aber ein Projekt zu Zeiten von gestiegenen Lebens- und Produktionskosten komplett unterfinanziert ist? Produktionszeiten oder das Ensemble kürzen? Auf Profis in wichtigen Funktionen wie Kostüm oder Bühnenbild verzichten? Auf jeden Fall Nachtarbeit und Selbstausbeutung. Auf Dauer leidet da die professionelle Kulturarbeit erheblich und ist den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr angemessen.
Kultur ist eine Grundbedingung des Menschseins – sie braucht es wichtiger denn je in Zeiten einer hochgefährdeten Demokratie, denn hier findet Auseinandersetzung, Teilhabe und Diversität statt. Trotzdem hat der Bund Kürzungen der Kulturmittel um 10 Prozent angekündigt, ungeachtet der Pandemie-Erfahrungen und Tausender Arbeitspätze in der Kulturbranche. Und Hand aufs Herz: Was wäre Freiburg und sein lebendiges Stadtleben ohne Theater, Tanz, Performance drinnen und draußen? Deswegen der Schulterschluss samt dringlicher Warnung. Im Januar soll es mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen weitergehen um auf das dringende Anliegen der Projektfödermittelerhöhung aufmerksam zu machen. Never give up!
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- Wir brauchen Utopien: Freiburgs freie Tanz-, Theater-, Performance- und Zirkusszene schlägt bei einem politischen Empfang im E-Werk Alarm: Foto: Eugene Lisyuk/pexels