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Momo lässt nicht locker

Daniel Wahl inszeniert Michael Endes „Momo“ in der Theaterhalle, Brauerei Ganter

Ein viereckiges Zelt mit grauer Kunststoffplane zwischen hohen Backsteingebäuden, lauschigem Schuppen – Foyer und Toilettencontainern – die temporäre Wohnstatt des Theaters Freiburg auf dem Ganter- Gelände hat Festivalcharme. In der Theaterhalle bietet der Blick von den aufsteigenden Zuschauerrängen einen beeindruckenden Breitbandkino- Effekt: Graue Wolkenbänke ziehen sich um die 20 auf 30 Meter große Bühne, auf der Zelt, Auto und Klettergerüste zwischen Reifenstapeln und Europaletten stehen (Ausstattung: Viva Schudt).

Schon das die erste Irritation: So düster und trashig hat man sich Momos Amphitheater nicht vorgestellt. Überhaupt müssen eingefleischte Momo-Fans ein paar Abstriche bei dieser Familieninszenierung machen: Hier wird der Kinderbuch-Klassiker für heutige Jugendliche erzählt – da braucht es Action, Tempo und Elektrosound (Musik: Tom Schneider), da sind die grauen Herren längst als eine Art Bankermafia in der Gesellschaft angekommen. Das geht erst mal auf Kosten von Michael Endes märchenhafter Poesie. Dass seine Botschaft trotzdem ankommt und gerade junge Menschen am Rande der Kindheit jede Menge Stoff zum Nachdenken bietet, spricht für den Weg von Regisseur Daniel Wahl, der mit „Drüberleben“ schon eine spannende Produktion in dieser Spielzeit zeigte.
Doch auch mit Stephanie Schönfeld als Momo gibt´s Berührungsängste: Hat man sich die Heldin dieser Geschichte doch als reines, weises Kind vorgestellt und erlebt nun ein kühles, leicht somnambules Zwitterwesen, eine Mischung aus Emo und Girlie mit langem, trendig verfilztem Weißhaar. An ihrer Figur zeigen sich wohl am schärfsten die Grenzen dieses Regie- Spagats zwischen Märchen und Agententhriller: In einer Welt kurz vor dem Gefrierpunkt braucht es Herz – spürbar ist das bei dieser Momo nur verhalten. Ob sie als Identifikationsfigur funktioniert, das muss das junge Zielpublikum entscheiden. Umso faszinierender, wie minütlich die Zweifel schmelzen, wie diese Inszenierung dank toller Schauspieler, origineller Regieideen und rasanter Choreografien (Tim Weseloh) doch einen ungeheuren Erzählsog entwickelt.
Die Story beginnt in einer Art Hippie-Exil: Friedlich haust Momo mit ihren Freunden in einer Bauruine, auf der Bühne gibt´s dazu beschauliche Lagerfeuer- Idylle ohne Lagefeuer: Man erzählt sich Geschichten, spielt Gitarre und genießt das Leben. Dass diese Momo so gut zuhören kann, dass dabei wahre Wunder geschehen, kann man zwar nicht live erleben, aber Fremdenführer Gigi (Hendrik Heutmann) findet als Erzähler eindrückliche Worte dafür. Überhaupt ist er mit André Benndorff als Straßenkehrer Beppo hier das eigentliche Herzstück, beide sind sie Mittler zwischen Mondkind und Normalwelt. Richtig spannend wird´s dann mit den sechs Agenten der Zeitsparkasse, die dem Publikum rasant all die vergeudeten Sekunden um die Ohren hauen, so cool ihren Mercedes voll qualmen und ebenso effizient wie skrupellos ihrem Geschäft nachgehen: Den Menschen ihre Lebenszeit aussaugen.
Schon wabert kalter Nebel zwischen hektisch – effizientem Getriebe, von der Freiburger Gruppe Parcours zwischen die Kulissen gewirbelt. Denn Zeit ist Geld und dann nur noch Konsum – Michael Endes Warnung vor dieser fatalen Lebenshaltung zeigt schon lange ihre Wirkung. Wie gut, dass Momo nicht locker lässt und schließlich von der Zwillings-Schildkröte Kassiopeia zu Meister Hora (Heiner Bomhard), dem geheimnisvollen Verwalter der Zeit, gebracht wird. Es folgt ein oberspannender Showdown mit Rettung in letzter Sekunde samt Welt- Stillstand. Sehenswert!
Weitere Vorstellungen: 4.5. (19:30 Uhr), 10.5 (18 Uhr), 14.5 (19:30) 13.6. (19:30 Uhr), 28.6. (16 Uhr), 2.7 (19:30 Uhr) und 13.7. (18 Uhr), Theaterhalle, Brauerei Ganter. Ab 12 Jahren.
Marion Klötzer

12 Gedanken zu „Momo lässt nicht locker

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