Interview

„Heiliges“ Gut in Freiburgs Innenstadt

Im Gespräch: Joe Evers, pädagogischer Geschäftsführer des ArTik

Artik Team

Nach monatelangen Renovierungsarbeiten öffnete das Jugendkulturzentrum ArTik im Mai 2012 seine Tore in der Siegesdenkmal-Unterführung am Friedrichsring. Seitdem brummt der Laden mit bis zu 500 jungen Besuchern wöchentlich. Trotzdem blieb das ArTik jetzt den ganzen März über geschlossen, Geschäftsführung, Verein und Vorstand gingen in Klausur. Die Gründe: Der Etat für 2014 wird nicht bis zum Jahresende reichen, intern steht ein Generationenwechsel an. Auch läuft 2016 der Mietvertrag aus, da das ArTik der neuen Straßenbahnlinie weichen muss. Ein Ersatz ist noch nicht in Sicht. Nach einer spannenden Führung durch die circa 650 Quadratmeter großen Räume sprach Marion Klötzer mit Joe Evers über den Stand der Dinge.

Kultur Joker: Joe, du bist seit Anfang an dabei, erst als Mitinitiator, dann zwei Jahre lang ehrenamtlich in der Aufbauarbeit, seit Eröffnung als pädagogischer Geschäftsführer. Hast du trotz der vielen Probleme noch Hoffnung und Energie für das Projekt ArTik?
Joe Evers: Ja, unbedingt. Es gibt Perspektiven und Menschen, die mir weiterhin Energie geben. Vor allem haben die letzten zwei Jahre deutlich gezeigt: Das Konzept funktioniert, der Bedarf ist da, die jungen Leute kommen: Nicht nur zu den Veranstaltungen, sondern auch zur Forró-Tanzgruppe, zum Underground- Tango, den Open turntables für junge DJs, zu den wechselnden Ausstellungen in Malerei und Fotografie in unserer Galerie. Unser Café wird von unterschiedlichsten Leuten genutzt, verschiedene Bands proben im inzwischen gut eingerichteten Bandraum und im ArTik Studio wird fast täglich produziert. Der Chaos Computer Club bietet in unserem Seminarraum eine Reihe von technischen Hilfen, das African Kiss Festival ist hier zu Hause. Dabei brechen vor allem die monatlichen U 18 Partys aus allen Nähten, da gibt es in Freiburg offensichtlich einen enormen Bedarf. Ohne das ArTik würden auf jeden Fall große Lücken entstehen.
Kultur Joker: Ihr versteht euch als Plattform – was bedeutet das?
Joe Evers: Wir machen keine Angebote, wir stellen Räume zur Verfügung. Wir schaffen Rahmenbedingungen, um junge Leute bei ihren eigenen Ideen und Projekten zu unterstützen. Und das bei größtmöglicher Mitbestimmung und beständigen Strukturen. Das hat für uns auch mit jeder Menge Herzblut, Engagement und Idealismus zu tun, denn wir setzten auf Eigenantrieb und Selbstverantwortung unserer aktiven Mitglieder. Dabei hatten wir von Anfang an den Anspruch ein extrem offenes Kulturzentrum zu sein, das im Prinzip an sieben Tagen die Woche zugänglich ist.
Kultur Joker: Und das funktioniert?

Joe Evers: Ja, wobei eine Jugendkulturplattform auf der einen Seite viel Spielraum bieten muss um sich auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln – auf der anderen Seite braucht es aber unbedingt Leute, die Verantwortung für diesen Spielraum übernehmen. Im ArTik kommen junge Menschen mit dem realen Leben in Berührung, sie müssen Konflikte lösen und Verhandlungen für ihre Projekte und Veranstaltungen führen. Genau an dieser Stelle entsteht aber oher Betreuungsbedarf, den wir unterschätzt haben und der von uns auch oft nicht geleistet werden kann.
Kultur Joker: Ein konkretes Beispiel?

 

Joe Evers: Ganz simpel: Wir hatten diesen Zigarettenautomaten am Eingang, der musste natürlich weg. Stattdessen wollen wir dort einen offenen Bücherschrank einrichten. Also haben ein paar Schülerinnen einen Brief an unsere Bürgermeisterin Frau Stuchlik geschrieben. War auch alles klar, aber bis dieser Automat letztendlich abgebaut war, hat es ein halbes Jahr gedauert. Und der Bücherschrank steht immer noch nicht. Da braucht es langen Atem und Unterstützung um die Jugendlichen bei der Stange zu halten, bevor sie im Wust der Bürokratie jede Lust verlieren. Dasselbe Problem kennen wir auch intern: Da haben ein paar Jugendliche eine gute Idee und hängen erst mal in der ArTik Verwaltungsschleife fest, weil wir zuwenig Zeit und Personal haben.
Kultur Joker: Ihr seid drei Honorarkräfte, eine Verwaltungskraft und ein Hausmeister – was wäre wünschenswert?
Joe Evers: Wir bräuchten auf jeden Fall noch einen größeren Pool an externen Coachs, denen wir auch Honorare zahlen können. Die Theatergruppe war da ein tolles Beispiel: Das Interesse war riesig, die Inszenierung von Kästners „Konferenz der Tiere 2013“ im E- Werk super, aber wir konnten im Endeffekt dem Coach kein Honorar zahlen. Alle Beteiligten hätten gerne weiter gemacht, was aber ohne finanzielle Mittel nicht machbar war. Seitdem haben wir leider keine Theatergruppe mehr im ArTik.
Kultur Joker: Womit wir bei den aktuellen Problemen wären. Punkt Eins – das Geld: Ihr habt derzeit ein Jahresbudget von 43.000 Euro – das wird nicht bis zum Jahresende reichen. Woran liegt´s?
Joe Evers: Wir bieten jungen Leuten und ihren Ideen nicht nur die kostenfreie Nutzung eines perfekten Raumes in zentraler Lage, wir begleiten sie auch entsprechend und versuchen den bestmöglichen Rahmen zu stellen. Wir sind der Überzeugung, dass wir für diese Nutzung kein Geld nehmen möchten, da wir sonst Teile unserer Gesellschaft ausschließen. Daneben haben wir die Möglichkeit durch Gastronomie und Tanzveranstaltungen Einnahmen für unseren ideellen Bereich zu machen. Dafür müssen diese Veranstaltungen in Zukunft aber lukrativer werden. Da ist dann das ein oder andere Konzert zu diesen Eintrittspreisen nicht mehr machbar. Bis Jahresende fehlen uns auf jeden Fall 17.000 Euro. Ohne die wird das ArTik den Betrieb in der bisherigen Form nicht aufrecht erhalten können.
Kultur Joker: Ihr seid intensiv auf der Suche nach Sponsoren und Förderern. Vor zwei Wochen habt ihr die Online Abstimmung für eine Werbekampagne des Spendenfreunde e.V. gewonnen. Was bedeutet das?
Joe Evers: Vor allem eine geniale Chance. 30.000 Euro haben wir jetzt für eine großangelegte Werbekampagne zur Verfügung, ein Gesamtpaket von der Grafik bis zum Druck. Ab 31. März wird in der ganzen Stadt unsere Kampagne gestartet, auf Litfasssäulen, Plakatwänden und digitalen Werbetafeln. Da kommt keiner mehr am ArTik vorbei – eine einmalige Möglichkeit auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen.
Kultur Joker: Also stehen die Zeichen nicht auf Untergang?
Joe Evers: Nein. Der Bedarf für das Artik hat sich ganz klar gezeigt, das wurde auch von der Stadtverwaltung erkannt. Wir bekommen gute Zeugnisse für unsere Arbeit, konnten unser Projekt im Kinder- und Jugendhilfeausschuss vorstellen. Einige Veranstalter organisieren Soli-Veranstaltungen. Die Option auf Fortsetzung wurde jedenfalls von Seiten der Stadt klar signalisiert. Und auch sonst haben wir mittlerweile eine wichtige Stimme, egal ob´s um den Kommunalen Ordnungsdienst oder die Schwarzplakatierung geht.
Kultur Joker: Ab 2016 braucht ihr neue Räume. Wie wichtig ist euch ein Innenstadt-Standort?
Joe Evers: Sehr wichtig, es ist eines der Alleinstellungsmerkmale des ArTik: Hier mischen sich die Stadtteile. Zum anderen treffen durch die unterschiedliche Nutzung auch immer wieder Generationen aufeinander: Der ältere Herr, der seinen kaputten Toaster zur Reparatur zum ChaosComputerclub bringt, die Tangoleute, die auf dem Weg zur Bar ins DJ-Getümmel geraten, der Kindertrommel-Worksshop beim African Kiss Festival. So was ist großartig!
Kultur Joker: Die jetzigen Räume haben mit der neuen Straßenbahnführung ein Statikproblem. Weißt du Genaueres?
Joe Evers: Nein, leider nicht. Ich fände es super, wenn das Baurechtsamt uns als Nutzern und Mietern diese Probleme etwas genauer erläutern könnte. Immerhin gibt es im ArTik immer noch einen unausgebauten Bauabschnitt, den man unter Umständen nutzen könnte. Denn der Standort ist optimal: Das ArTik hatte in seiner jetzigen Lage noch nie Lärmbeschwerden. Ein heiliges Gut in Freiburgs Innenstadt.
Kultur Joker: Um was ging es noch bei eurer Klausur?
Joe Evers: Wir haben hier einen Generationenwechsel in der Geschäftsführung und im Vorstand zu stemmen: Leute, die das Projekt mit aufgebaut haben, wandern ab. Das ist ein normaler Zyklus eines Jugendprojekts. Wir brauchen also neue Verantwortliche mit verschiedenen Kompetenzen. Wir müssen aber auch unsere Pressearbeit weiter verbessern, Veranstaltungen und Gastronomie sollen neu aufgestellt werden, der ideelle Bereich neu verortet werden. Dafür haben wir den März mit täglichen Treffen intensiv genutzt.
Kultur Joker: Hast du einen Traum über das ArTik hinaus?
Joe Evers: Ich würde Jugendkultur gerne europäisch und im Dreiländereck denken. Das Jugendkulturfestival in Basel ist da schon ein richtiger Schritt, der funktioniert. Wir brauchen eine Jugendkulturregion, die nicht an der Stadtgrenze halt macht, Aktionen, bei denen sich junge Leute über ihre Kultur kennen lernen und austauschen können. Dazu gehören Vernetzungen mit Läden in Frankreich oder der Schweiz wie der Purple Park in Basel.
Kultur Joker: Danke fürs Gespräch – und euch viel Unterstützung!

Ein Gedanke zu „„Heiliges“ Gut in Freiburgs Innenstadt

  • Hi, Vielen Dank für den Artikel. Kam gerade sehr gelegen und hat mir geholfen! Herzliche Grüße

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