InterviewVision

Antes – Musikschule – Probenräume: Was meinen die Neuen im Kulturausschuss des Gemeinderats Freiburg? Wir haben nachgefragt.

Kürzlich nahm der neugewählte Freiburger Gemeinderat seine Arbeit auf, darunter viele bislang unbekannte Gesichter. Von den 16 gemeinderätlichen Mitgliedern im Kulturausschuss sind 9 erstmals dabei (nebenbei wohl auch ein starkes Argument dafür, nicht auf die sog. Sachkundigen und Sachverständigen Bürger:innen in den Ausschüssen komplett zu verzichten, wie es eine aktuelle Eingabe der drei ‚großen‘ Fraktionen an den OB irrigerweise vorschlägt). Einigen, die neu in dem Gremium vertreten sind, stellten wir Fragen über aktuelle Themen der Kultur in der Stadt.

(1) Was ist Ihr persönliches Credo, welche Themen möchten Sie einbringen?
(2) Bei den Beratungen des Doppelhaushalts 2025/26 geht es um grundsätzliche Fragen: Kann die Kommune gegensteuern zu einem Zeitpunkt, wo die Mittel der Bundeskulturfonds für 2025 massiv gekürzt werden?
(3) Ein Hauptproblem für die Kultur sind die (fehlenden) Räume/Orte, an denen sie stattfinden kann; drängend ist derzeit z.B. der Bedarf für eine zentrale Heimstatt der Städtischen Musikschule: Geht das für Sie im „Haus zum Herzog“, oder haben Sie eine Alternative?
(4) Ein ‚Problemkind‘ ist stets die Bildende Kunst. Der aktuell prominenteste Fall ist die Wiederanbringung der Arbeit „Freiburger Bild“ des bedeutenden Künstlers Horst Antes aus dem Jahr 1974, seit 1996 kostenpflichtig eingelagert. Findet das Ihre Unterstützung?

Bärbel Schäfer (Bündnis 90 / Die Grünen)
(1) Ich setze mich dafür ein, dass Kultur breiten Bevölkerungsschichten im Sinne gesellschaftlicher Barrierefreiheit zur Verfügung steht. Da geht es um Inhalte, aber auch um finanzielle Zugänglichkeit.
(2) Wir werden nicht jede Kürzung des Bundes auffangen können. Dennoch werden wir genau hinsehen und da reagieren, wo unsere Einrichtungen oder Projekte konkret betroffen sind.
(3) Das “Haus zum Herzog” kann m. E. wegen der Denkmaleigenschaft nicht die nötige dauerhafte Lösung für die Musikschule sein. Derzeit liegt auch nichts auf dem Tisch, was sich schnell umsetzen ließe. Wir werden daher auf Übergangslösungen angewiesen sein. Neben der Musikschule gibt es weitere Raumbedarfe, z. B. fehlt es an Ateliers und Proberäumen.
(4) Ja, Bildende Kunst in Freiburg ist mehr als die – auch mir wichtige und gelungene – Sanierung des Augustinermuseums. Die Einlagerung des Antes-Bildes kostet aktuell 2.600 Euro jährlich. Unser klares Ziel ist, dass das Bild wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Daniela Ullrich (Unabhängige Frauen)
(1) In erster Linie werde ich die Interessen der Liste “Unabhänige Frauen” vertreten. Wir setzen uns ein für eine offene und inklusive, eine frauen*- und kinderfreundliche, eine kulturelle, eine interkulturelle, eine sozialere und damit eine nachhaltige Stadt. Uns ist es wichtig, in einer Stadt zu leben, die Vielfalt als Bereicherung versteht und kulturelle und interkulturelle Angebote zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses vorhält.
(2) Da kann ich leider aktuell nichts Konkretes sagen, da wir den Doppelhaushalt erst noch vorgestellt bekommen. Aber: wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Kultur den anderen Politikfeldern gegenüber gleichgestellt wird.
(3) Wir halten ein eigenes Haus für die Musikschule im Herzen der Stadt Freiburg für richtig und notwendig und für einen wichtigen Baustein im Wandlungsprozess der Innenstadt hin zu mehr kultureller Nutzung. Für das “Haus zum Herzog” gibt es allerdings auch Nutzungsalternativen.
(4) Mit diesem Thema habe ich mich bisher nicht auseinandergesetzt. Bei uns steht die Förderung der interkulturellen Zusammenarbeit im Fokus und wir würden gerne mehr Mittel in diesen Bereich lenken.

Viviane Sigg (SPD)
(1) Mein Hauptanliegen ist die Stärkung der kulturellen Teilhabe: Kultur will erlebt werden und lädt zum Mitmachen ein. Damit dies gelingen kann, werde ich primär Projekte und Formate unterstützen, die allgemein sichtbar und erreichbar sind und möglichst wenig Eintritt kosten.
(2) Auch und gerade in Zeiten knapper Kassen gilt es, die Kultur zu stärken.
(3) Das „Haus zum Herzog“ stellt eine gute Übergangslösung dar. Eine langfristige Verortung an einem geeigneten Standort möglichst in der Innenstadt ist weiterhin unsere Aufgabe.
(4) Im Bereich der Bildenden Kunst stellen sich aus meiner Sicht drängendere Probleme vor allem mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Kulturschaffenden. Hier setze ich mich für angemessene Ausstellungshonorare nach dem Berliner oder Stuttgarter Vorbild ein.

Sonja Wagner (Urbanes Freiburg)
(1) Ich will Stimmen vertreten, die in Freiburg nicht so laut und etabliert sind oder die einfach auch gerne nicht gehört werden. Ich möchte dazu beitragen, ein breiteres, diverseres Bild der Stadtgesellschaft zu zeichnen. Dazu gehört eine bunte Kulturlandschaft: Es geht um junge Kulturinstitutionen, die Kunstszene abseits der geförderten städtischen Museen und des Kunstvereins. Um neu angetretene Kulturschaffende, die nicht schon seit Jahrzehnten Fördermittel beziehen, um Subkultur, Street- Art und Clubkultur. Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen Hochkultur und junger Kultur zu schaffen. Den Input für die Arbeit im Kulturausschuss will ich mir von den Kulturschaffenden selbst holen. Und deren Anliegen und Themen einbringen. Nicht zuletzt bringt die Liste „Urbanes Freiburg“ hier einen großen und wichtigen Erfahrungsschatz mit.
(4) Das „Freiburger Bild“ von Horst Antes sollte an einem geeigneten Standort wieder der Allgemeinheit präsentiert werden. Das Kunstwerk für immer und ewig in Kisten für viel Geld einzulagern, erachten wir nicht als sinnvoll.

Julian Schreck (Junges Freiburg)
(1) Ich spiele Schlagzeug und Klavier, mein persönliches Anliegen sind vor allem Bandräume und Platz für musikalische Freiräume/ Auftrittsorte.

Arno Heger (CDU)
(1) Es ist für mich Herzensangelegenheit, dass Freiburg eine weltoffene, bunte und tolerante Stadt bleibt. Ich möchte mich für die vielen ehrenamtlichen Institutionen einsetzen: mehr Übungsräume / Trainingsplätze, finanzielle Unterstützung und Entbürokratisierung.
(2) Natürlich gibt es Wünsche für tolle Institutionen und Projekte, die wir alle gerne unterstützen. Ich empfinde es als wichtig, dass solide mit den öffentlichen Mitteln gewirtschaftet wird. In den letzten 6 Jahren haben sich die Schulden der Stadt Freiburg von 800 Millionen auf 1,6 Milliarden verdoppelt. Das kann nicht im Sinne kommender Generationen sein (…).
(3) Es gibt für das „Haus zum Herzog“ zumindest eine Zwischenlösung mit der Freiburger Musikschule. Die Stadtverwaltung hat eine Projektentwicklung für die Nutzung des Gebäudes in Auftrag gegeben und das Ergebnis soll zeitnah vorgestellt werden. (…)
(4) Der „Kopffüßler“ ist ein beeindruckendes Kunstwerk, das mich schon in meinen Jugendjahren in den Bann gezogen hat. Das Format ist schwierig, so dass wohl eine Neuaufstellung bisweilen hieran scheiterte (…).

Franco Orlando (FDP)
(1) Für mich ist es ein neues Betätigungsfeld, auf das ich mich sehr freue: (…) Als Themen kann ich mir neben der kulturellen Teilhabe (Stichwort: Inklusion) und der Förderung junger Künstler*innen vor allem die Digitalisierung vorstellen. Dabei würde ich gerne meine Stärken im Bereich des Netzwerkens einbringen.
(2) Angesichts der angespannten Haushaltslage ist die Frage nach den Handlungsspielräumen einer Kommune aufgrund der massiven Kürzungen beim Bundeskulturfonds äußerst relevant und wirft grundsätzliche Fragen zur Finanzierung und Gestaltung der Kulturpolitik auf. (…)
(3) Das „Haus zum Herzog“ ist ein Gebäude mit historischem Wert, bei einer solchen Umnutzung gilt es, den Denkmalschutz und den Raumbedarf einer Musikschule mit Übungsräumen oder Konzertsaal zu beachten. Die Lage in der Innenstadt ist zwar attraktiv, aber angesichts der Parkmöglichkeiten auch problematisch.
(4) Eine Wiederanbringung des „Freiburger Bildes“ von Antes ist eine spannende Vision, bei der Fragen wie Kunst im öffentlichen Raum, Stadtgeschichte und natürlich auch die Finanzen beachtet werden müssen. (…)

Markus Schillberg (Kulturliste)
(1) Wir leben im fortgeschrittenen Stadium fehlerhafter Stadtentwicklung. (…) Es fehlt ein Rechtsanspruch, ein stadtplanerischer Automatismus – zumindest eine Selbstverpflichtung. Drängende Themen sind Mangel an bezahlbaren Proberäumen und Ateliers, es fehlen Auftrittsorte in nahezu allen Stadtteilen (…). Die Kultur-Netzwerke und Interessenverbände müssen abgesichert werden, Ausstellungshonorare für Bildende Künstler:innen endlich her, die Nachtkultur muss weiterentwickelt werden (…).
(2) Die Kürzungen der Bundeskulturfonds um 50% werden in Freiburg einschlagen wie eine Bombe. (…) Da hängen richtig viele Kultur-Jobs dran. Es passt nicht zusammen, wenn der Gemeinderat mit dem Kulturamt in sieben “Grundsätzen” unseren Kulturmacher:innen höhere Anforderungen an ihr Schaffen aufbürdet, gleichzeitig aber nicht bereit ist, für dessen Umsetzung die notwendige Kohle in die Hand zu nehmen. (…)
(3) Freiburg ist Musikstadt. Wir feiern dieses Aushängeschild, ohne das zugehörige Schaufenster bereitzustellen. Das „Haus zum Herzog“ könnte dieser prominente Ort sein. (…) Alternativ wäre der Standort Karlskaserne zu prüfen.
(4) Horst Antes ist ein wichtiger Künstler. Nicht umsonst stehen seine Skulpturen der unverwechselbaren Kopffüssler beim ZDF auf dem Lerchenberg in Mainz. Es wäre peinlich, wenn ausgerechnet sein größtes Kunstwerk „Freiburger Bild“ weiterhin in teilnahmsloser Gleichgültigkeit verharrte.

Bildquellen

  • Freiburg Symbolbild: Foto: Ilo Frey via pexels