„Wichtig ist der Wille, nicht das Geld“
Im Gespräch: Günter Wamser, Abenteuerreiter und Referent
Manche Leute machen schon verrückte Dinge. Wie zum Beispiel Günter Wamser, der sich 1994 auf das Pferd geschwungen hat, um den amerikanischen Doppelkontinent mit der Hilfe von Vierbeineren von Feuerland bis Alaska zu durchqueren. Vier bis fünf Jahre hatte der heute 54-jährige für seinen langen Ritt ursprünglich eingeplant, knapp 20 Jahre wurden schließlich daraus, ehe er im Herbst diesen Jahres sein Ziel im hohen Norden erreichte.
Rund 30.000 Kilometer hat Wamser zurückgelegt und berichtet mittlerweile in zahlreichen Fotoreportagen, Büchern und Vorträgen von den Abenteuern seiner außergewöhnlichen Reise. Neben den humorvollen und berührenden Geschichten, eindrucksvollen Bildern und faszinierenden Landschaften ist es vor allen Dingen die Nähe zu seinen Tieren, die einen besonders berührenden Eindruck hinterlässt. „Was zunächst als Abenteuer gedacht war, wurde über all die Jahre meine Art zu leben“, sagt Günter Wamser heute, der mit seiner Live-Reportage „Abenteuerreiter“ am 8. Feburar im Rahmen der Mundologia im Konzerthaus Freiburg gastiert. Vorab hatte Claus Weissbarth die Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Günter Wamser.
Kultur Joker: Herr Wamser, Sie haben den amerikanischen Doppelkontinent von Feuerland bis Alaska mit Pferden durchquert. Wie kommt man auf eine derart ungewöhnliche Idee, die die meisten Menschen wohl als irrwitzig abtun würden?
Günter Wamser: Das hat sich eigentlich über viele Jahre entwickelt. Schon mit Anfang zwanzig bin ich mit dem Motorrad quer durch Europa gefahren, was mich mit der Zeit nicht mehr befriedigt hat. Auf einer Motorradtour durch den amerikanischen Kontinent bin ich auf das Pferd gekommen und habe im wahrsten Sinn des Wortes umgesattelt. Ich bin dann durch Guatemala geritten, was mich extrem fasziniert hat. Daraus ist die Idee entstanden, eine ganz große Reise mit Pferden zu machen.
Kultur Joker: Sie hatten zuvor eine Arbeit mit gesichertem Einkommen. Ist es ihnen nicht schwergefallen die gesicherte Existenz aufzugeben?
Günter Wamser: Ich denke man sollte immer mal wieder aus seinem Komfortbereich rausgehen, um neue Erfahrungen zu sammeln. Das schwierigste an so einer Reise besteht darin, den ersten Schritt zu machen. Denn wir sind ja in einer Gesellschaft aufgewachsen, die von großem Sicherheitsdenken geprägt ist. Das Unterwegssein mit den Pferden ist im Vergleich zu diesem ersten Schritt ein Spaziergang.
Kultur Joker: Haben denn nicht viele Zweifel mitgeschwungen, da Sie sich in materieller Hinsicht vermutlich auf eher unsicheres Terrain begeben haben?
Günter Wamser: Ich wusste natürlich nicht so genau, was auf mich zukommt und hatte durchaus Zweifel. Meine Familie und mein persönliches Umfeld konnten sich das noch weniger vorstellen und haben auch ihre Bedenken geäußert. Aber man braucht ja nicht viel Geld, um so einen Ausstieg zu bewerkstelligen. Ich halte ja auch Vorträge und werde dann oft von Leuten angesprochen, die meinen: „Wenn ich Geld hätte, würde ich so eine Reise auch machen“. Wenn ich mich dann in der Runde umschaue bin immer ich derjenige, der keine Geld hat. Wichtig ist der Wille, nicht das Geld. Und ein Millionär kann so eine Reise noch lange nicht machen, nur weil er das Geld hat.
Kultur Joker: Von irgendetwas mussten Sie aber trotzdem leben.
Günter Wamser: Ich hatte zumindest genügend Mittel, um den Start zu finanzieren. Aber ich habe dem Geld einfach nicht den ganz großen Stellenwert eingeräumt. Es ist nur ein Problem von hunderten, die ich alle irgendwie in den Griff bekommen musste. Ich hatte auch keine Sponsoren, was den Vorteil hat, dass einem keiner sagt, was man wann zu tun hat. Meine Reise diente demnach nur meinen eigenen Zwecken, ohne dass ich Kompromisse eingehen musste. Die Finanzierung über Vorträge und Bücher hat sich erst im Nachhinein ergeben. Davon habe ich am Anfang nur geträumt, aber nach und nach hat sich ein gewisses Interesse entwickelt, was mir die Möglichkeit gegeben hat, meinen Traum zu leben.
Kultur Joker: Hatten Sie zwischendurch keine Angst, die Reise abbrechen zu müssen, weil es finanziell doch nicht reicht?
Günter Wamser: Das war eigentlich nie ein Thema, denn es war von vornherein klar, dass ich aufhören werde, wenn ich nicht mehr dahinter stehe. Ich habe das ja nicht gemacht, um irgendjemandem etwas zu beweisen. Nein, wegen dem Geld habe ich mir keine Gedanken gemacht. Dann muss man eben unterwegs arbeiten, um Essen, Wasser und Futter für die Tiere zu bekommen. Das hat auch den Vorteil, dass man die Menschen und deren Kultur besser kennenlernt.
Kultur Joker: Sie waren bis zum Herbst diesen Jahres knapp 20 Jahre unterwegs. Wie muss man sich das vorstellen: haben Sie die Reise in mehreren Etappen absolviert?
Günter Wamser: Zwischendurch war ich immer mal wieder in Deutschland und habe mittlerweile auch einige Bücher geschrieben und Vorträge gehalten. In Nordamerika geht es dann auch nur noch etappenweise, weil das Reisen aufgrund des langen Winters nur während drei oder vier Monaten möglich ist. In den verbleibenden Monaten findet man kein Futter für die Pferde und muss schauen, dass man einen festen Lagerplatz hat. Da haben wir dann acht Monate Pause gemacht und in einer Blockhütte in Kanada gelebt.
Kultur Joker: Sie sagen, die Reise wurde zu ihrer Art zu leben. Können Sie diese Aussage bitte konkretisieren.
Günter Wamser: Ursprünglich war die Reise ja viel kürzer geplant. Mit der Zeit wurde es aber immer unwichtiger, schnell anzukommen. „Der Weg ist das Ziel“, lautet eine Redensart, die ich mir zu eigen gemacht habe. Und wenn zum Beispiel ein Pferd krank wurde oder das Wetter nicht mitgespielt hat, habe ich einfach Pausen eingelegt und mich der Situation angepasst
Kultur Joker: Worin liegt letzten Endes die Faszination, wenn man so lange unterwegs ist?
Günter Wamser: Wenn man sich seine Neugierde bewahrt hat, fragt man sich immer wieder, was es denn hinter dem Horizont gibt oder hinter der nächsten Kurve, dem nächsten Berg. Es entsteht auch eine gewisse Spannung, wenn man morgens aufbricht und nicht weiß, was einen unterwegs erwartet und wo man abends ankommen wird. An und für sich ist es aber schon allein faszinierend, mit den Tieren draußen unterwegs zu sein. Gerade in Nordamerika, wo es Gebiete ohne Straßen gibt, die so groß sind wie die Schweiz – das ist einfach großartig.
Kultur Joker: Was haben Sie denn hinter dem Horizont entdeckt?
Günter Wamser: Vor allem ganz viel Natur wie die Steppen in Patagonien, die Bergwelt der Anden oder die mächtigen Berge der Rocky Mountains. Wir waren die letzten Jahre sehr viel in Gebieten unterwegs, wo es noch Wölfe und Bären gibt, was für mich auch ein Zeichen ist, dass die Natur in diesen Gegenden noch in Ordnung ist. Dass wir solche Gebiete durchreiten dürfen, bedeutet ein großes Glücksgefühl für mich.
Kultur Joker: Welche nachhaltigen persönlichen Erfahrungen haben Sie darüberhinaus mitgenommen?
Günter Wamser: Eine ganz neue Erfahrung bestand darin, zu entdecken, mit wie wenig ich auskomme und damit zufrieden bin – auch mit Blick auf unsere Gesellschaft, in der so viele Menschen unzufrieden sind, weil sie immer mehr brauchen. Zu erkennen, was ich habe, damit zufrieden zu sein, ist ein ganz wertvoller Schatz. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich davon auch weiterhin in meinen Leben profitieren kann.
Kultur Joker: Bleiben da andere Wünsche nicht auf der Strecke?
Günter Wamser: Die materiellen Dinge interessieren mich nicht besonders. Vor allem nachdem ich inzwischen die andere Seite gesehen habe, arme Menschen in Lateinamerika kennengelernt habe, die nicht viel haben und trotzdem glücklich und zufrieden sind. In unserer Gesellschaft muss man schon suchen, um solche Menschen zu finden.
Kultur Joker: Inwiefern hat sich ihre Einstellung zum „normalen Leben“ und zur Konsumgesellschaft verändert?
Günter Wamser: Ich denke, jeder von uns muss einen gewissen Teil seiner Lebenszeit abgeben, um gewisse Bedürfnisse befriedigen zu können. Ich weiß nicht wieviel Lebenszeit ich habe und darum möchte ich mit meiner Zeit sehr bewusst umgehen und sie nicht einfach wegschmeißen. Ich möchte das tun, was ich tun möchte und mich nicht zur Arbeit verpflichten müssen, nur damit ich mir unnötige Dinge anschaffen kann.
Kultur Joker: Sehen Sie die Konsumgesellschaft 20 Jahre später mit anderen Augen als zum Beginn ihrer Reise?
Günter Wamser: Da war auch schon vorher etwas, ansonsten wäre ich wohl hier geblieben. Ich beobachte schon eine Wegwerfmentalität, die man in anderen Teilen der Erde nicht kennt. Wir verdienen so viel Geld und am Ende bleibt doch nichts übrig. Da kann doch etwas nicht stimmen. Aber letzten Endes muss die Gesellschaft für sich selbst entscheiden, was für sie wichtig ist.
Kultur Joker: Haben Sie denn trotzdem etwas vermisst?
Günter Wamser: Dazu fällt mir eigentlich nur unser Brot ein. Nein, es ist ja nicht so, dass ich unterwegs sein musste. Wenn mir etwas nicht gepasst hätte, hätte ich ja immer umkehren können. Allerdings ist mir auch bewusst geworden, was wir an unserem Land haben. Und ich bin auch immer wieder gerne nach Deutschland zurückgekommen. Ich wollte ja auch nicht fliehen, sondern es war vielmehr die Neugier, die mich angetrieben hat.
Kultur Joker: Was ist das Besondere, wenn man mit Pferden unterwegs ist? Es gibt doch genügend andere und bequemere Methoden, sich fortzubewegen.
Günter Wamser: Pferde sind ja kein Transportmittel wie Fahr- und Motorräder und verlangen nach Verantwortung, die einen auch fordert. Wir sehen unsere Pferde als Freunde und Weggefährten und nicht als Sportgeräte. Dadurch, dass man soviel Zeit mit den Tieren verbringt, entsteht eine ganz besondere Verbindung, die bei der motorisierten Fortbewegung komplett entfällt. Es ist natürlich nicht immer leicht, aber die Strapazen, die man zusammen erlebt, verbinden ungemein.
Kultur Joker: Wo lagen denn die größten Schwierigkeiten, die Sie zu bewältigen hatten?
Günter Wamser: Wenn ich so eine Reise mit Hilfe von Sponsoren mache und dadurch irgendwelche Verpflichtungen habe, dann kann das durchaus zur Qual werden. Wenn man so etwas jedoch aus freien Stücken macht, halten sich die Probleme in Grenzen. Vor allen Dingen hatte ich keinerlei Druck, jemandem etwas beweisen zu müssen. Probleme sind dazu da gelöst zu werden und in solchen Situationen kann man auch zeigen, was man drauf hat und erfährt eine gewisse Bestätigung. Ich habe mir auch keine Gedanken darüber gemacht, was alles passieren kann. Mit der Zeit entwickelt man auch ein gewisses Selbstbewusstsein, das einen in die Lage versetzt, für alle Probleme eine adäquate Lösung zu finden. Das ist für mich eigentlich eine Grundeinstellung und wenn ich die nicht habe, kann ich gleich zu Hause bleiben.
Kultur Joker: Welche Gefahren lauern denn, wenn man zumindest teilweise weitab der Zivilisation unterwegs ist?
Günter Wamser: Gefährlich wurde es nur, wenn ich der Zivilisation und dem Autoverkehr zu nahe gekommen bin. Straßen lassen sich nicht immer vermeiden und so hat mich einmal ein LKW gestreift und beinahe zu Fall gebracht. Wir waren die letzten Jahre in Gebieten unterwegs, wo es auch Bären gibt. Wenn man sich allerdings an gewisse Verhaltensregeln hält, dann sind diese Tiere für den Menschen im Prinzip völlig ungefährlich.
Kultur Joker: Wie oft sind Sie an physische, beziehungsweise psychische Grenzen gestoßen?
Günter Wamser: Es führt kein Weg daran vorbei, dass ich während dieser Reise 20 Jahre älter geworden bin. Da fällt es dann schon zunehmend schwerer, ständig auf dem Boden zu schlafen. Aber zur Tortur wurde die Reise nie. Dann gibt es vor allem in Lateiamerika viele Probleme an den Grenzen, wo man es ständig mit korrupten Beamten und einer ebenso korrupten Bürokratie zu tun hat. Das hat teilweise schon sehr viele Nerven gekostet. Heutzutage hätte ich wahrscheinlich nicht mehr den Biss und die Energie, um solche Situationen durchzustehen. Von daher bin ich froh, dass ich von Süden nach Norden und nicht in umgekehrter Richtung geritten bin.
Kultur Joker: Könnten Sie sich denn vorstellen, eine vergleichbare Reise noch einmal durch einen anderen Kontinent zu absolvieren?
Günter Wamser: Natürlich habe ich mir schon die Frage gestellt, was ich als nächstes mache und wenn man so ein Leben einmal geführt hat, dann gehen einem die Ideen sicher nicht aus. Was ich in Nord-amerkia geschätzt habe, ist das Reiten in der Wildnis, wo man drei, vier Monate draußen sein kann, ohne eine Straße überqueren zu müssen. Bevor ich woanders hingehe, würde ich eher in diese Region zurückkehren und mir die dort vorhandenen Rosinen rauspicken.
Kultur Joker: Demnach ist es weniger das Abenteuer als der Genuss, der sie antreibt…
Günter Wamser: … weil das Abenteuer für mich nichts mit der Suche nach Gefahr zu tun hat. Natürlich muss man immer wieder aus seinem Komfortbereich rausgehen, aber ich bin ja nicht lebensmüde, sondern lebensfroh und daraus habe ich auch die Neugierde gezogen, die meiner Reise zugrunde liegt.
Kultur Joker: Herr Wamser, wir bedanken uns für das Gespräch.
Der Vortrag „Abenteuerreiter – vn Feuerland nach Alaska“ mit Günter Wamser steht am 8. Februar , 16 Uhr, beim Mundologia-Festival 2014 auf dem Programm. Karten/Infos:
www.mundologia.de