Neue Freiburger Kulturpolitik: Kunstbeirat der Stadt Freiburg bleibt (noch) still
Am 22.11.2022 beschloss der Freiburger Gemeinderat die Einsetzung des Beirats „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“, der den Kulturausschuss und somit den Gemeinderat fachlich beraten solle. Als sachkundige Mitglieder wurden berufen: Prof. Dr. Michael Klant (Pädagogische Hochschule Freiburg, Institut der Bildenden Künste) / Dr. Dagmar Danko (Hochschule für Musik Freiburg, Kunstsoziologin) / Annette Merkenthaler (Bildende Künstlerin) / Dipl.-Ing. Simone Wörner (Architektin) / Dipl.-Ing. Christian Korn (Landschaftsarchitekt). Das sind ohne Zweifel arrivierte und in ihren Fachbereichen ausgewiesene Persönlichkeiten.
Das Gremium existiert also seit mehr als einem Jahr. Irritation entsteht aber durchaus: Nicht einmal auf der Homepage des Kulturamts ist der Beirat bislang verzeichnet oder gar namentlich benannt. Auf Anfrage erhielt ich am 11.5.2023 von der Kulturverwaltung die Antwort: „Wir sind bestrebt, Informationen zum Beirat wie auch zukünftig zur Datenbank über Kunst im öffentlichen Raum, an der wir gerade arbeiten, auf unserer Website zugänglich zu machen.“ Das war vor zwölf Monaten. Bis jetzt hat sich da nichts getan!
Warum ist es so erschreckend still um diesen Beirat? Weshalb ‚verschweigt‘ die Verwaltung dessen Existenz? Irgendwie entsteht der Eindruck, man habe Angst, dass der Beirat ‚laut‘ würde – wie es sein Vorgängergremium, die städtische Kunstkommission (mit freilich breiteren Kompetenzen), immerhin punktuell gewesen ist. Die Geschäftsführung liegt bei einer Angestellten im Kulturamt. Früher war das einmal Chefsache: Einst schrieb Achim Könneke (von 2003 bis 2018 Kulturamtsleiter) selbst die Protokolle.
Längst ist es also Zeit, dass der Kunstbeirat, ob das nun gewünscht ist oder nicht, sich zu Wort meldet, Veranstaltungen durchführt, Statements verlautbart, aus seiner Arbeit berichtet: Wie steht es um den Kunst-Wettbewerb Gutleutmatten, was ist da der Stand der Dinge? Jüngst sickerte durch, dass hier eine Kuratorin benannt sei, die sich kümmern solle. Wer ist das, wann und wo stellt sie sich vor, welches sind ihre genauen Aufgaben? Wie wurde sie ausgewählt? Und schließlich: Wie steht es denn nun um die überfällige Web-Präsenz der Kunst im öffentlichen Raum, zugleich durchgängige Beschriftungen mit QR-Codes für die öffentlichen Kunstwerke im städtischen Besitz? Es darf nicht so sein, dass der Beirat zum reinen Alibi-Spiel gereicht – dann wäre er nicht nur ein stumpfes Instrument, sondern am Ende sogar schädlich.
Die Zukunft des Antes-Wandbilds beginnt erst
Am 19. März verkündete der Sozial- (und Kultur-) Bürgermeister der Stadt in einer Sitzung des Ältestenrats das Resultat zweier in Auftrag gegebener Kostenschätzungen für die Neu-Anbringung des größten Kunstwerks, das Horst Antes jemals geschaffen hat: 90.000 Euro soll die Restaurierung kosten, 450.000 Euro die Installation. Deshalb sei das Vorhaben jetzt ad acta gelegt und werde „nicht weiterverfolgt“. Welch Armutszeugnis! Und es geht weiter: Ein absolutes No-Go ist, wenn ‚findungsreiche‘ Geister in der Stadtspitze sich nun des ‚Problems‘ entledigen wollen und wieder einmal (das hatten wir vor Jahren schon) einen Tausch oder eine Leihgabe an andere Kommunen ins Kalkül ziehen und das sogar aussprechen: hochnotpeinlich, mehr nicht!
Also bleiben alle wichtigen Fragen offen: Warum ist die Restaurierung so hoch eingeschätzt? Gibt es Schäden an den Emaille-Platten, die durch Lagerung entstanden sind – und folglich ein Versicherungsfall wären? Entstehen für den Aufbau nicht vor allem auch Sponsoring-Chancen, die mit beteiligten Firmen auszuloten wären? Kann es wirklich nicht gelingen, das Amt Vermögen und Bau des Landes mit ins Boot zu nehmen? Denn an dem geplanten Standort, dem Uniklinik-Parkhaus an der Breisacher Straße sollte, nachdem er endlich gefunden wurde und auch der Künstler ihm zustimmte, nun nicht mehr gerüttelt werden. Wer kümmert sich denn nun um diese Fragen und ein wirklich zielführendes Vorantreiben des Projekts? Eigentlich ist das Aufgabe der Leitung des Kulturamts – denn damit könnte man/frau sich ja auch ziemlich profilieren.
Die Entrüstung in der kunstinteressierten Freiburger Bürgerschaft ist jedenfalls groß: zahlreiche Mailings und Telefonate treffen ein. Die Sache ist ergo nicht vorbei, sondern geht jetzt erst los. Für die nächste Kulturausschuss-Sitzung am 16. Mai beantragen mehrere Fraktionen eine detaillierte Information und Offenlage der Kostenschätzungen. Unser Fazit: So darf Politik und vor allem die Verwaltung nicht mit der Causa umgehen! Es handelt sich nicht um irgendein beliebiges Spielplatzmobil, sondern das wohl bedeutendste öffentliche Kunstwerk im Besitz der Stadt Freiburg – seit bald 30 Jahren extern eingelagert, also kontinuierlich weiter Kosten verursachend.
Die Aufgaben der nächsten Jahre
Der Wahlkampf um den künftigen Gemeinderat hat mit Vehemenz begonnen. Da ist es allemal sinnvoll, aktuelle Problemfälle und Streitfragen aus der Kulturpolitik aufzugreifen. Denn die Aufgaben wachsen.
Einige Stichworte:
• Gelingt es endlich, für die städtische Musikschule einen eigenen zentralen Ort zu etablieren, im „‚Haus zum Herzog“ (dem ehemaligen Stadtarchiv) zum Beispiel? Mehrfache Erfahrungen andernorts zeigen, wie so auch eine Innenstadt-Belebung entstehen kann.
• Können andere Immobilien in der Innenstadt, auch wenn sie sich bislang nicht in städtischem Besitz befinden, dauerhaft kulturellen Nutzungen (und nicht nur temporär als „Pop-Ups“) zugeführt werden?
• Wann und wie können neue Künstler-Ateliers und Band-Proberäume verlässlich geschaffen werden? Hier besteht großer Bedarf, zumal jetzt ab dem Sommer das bisherige Kunsthaus L6 in Zähringen wegfällt.
• Wie wird die Überführung des Morat-Instituts in einen qualitativ überzeugenden Ort der Bildenden Kunst in städtischer Trägerschaft konzeptionell sichergestellt?
• Wie steht es mit einer Weiterentwicklung der „Kreativspange“ im Quartier Schildacker? Welche Impulse kann die Stadt da setzen?
• Welche Mittel gibt es, um dem Bedürfnis der jüngeren Generation nach Verwirklichung im Bereich der Sub- und Nachtkultur entgegenzukommen? Müsste das (offenbar zu pauschale) Musikverbot für öffentliche Parks ab 23 Uhr nicht sensibel differenziert und weiterentwickelt werden?
• Wie kann die Kommune die Kulturelle Bildung bei Jugendlichen, zum Beispiel in Jugend- und Stadtteilzentren und auch in Schulen, initiativ befördern?
• Gibt es nicht auch bei kulturellen Angeboten für Geflüchtete und neu Zugewanderte noch deutlich ‚Luft nach oben‘?
• Bedarf es nicht einer Umkehr des Denkens bei der Entwicklung von Tourismus-Konzepten, die bislang eher auf optimierten Umsatz ausgerichtet sind?
• Wie geht eine solche umfassend neue Kultur-Planung überhaupt? Offenbar nicht wirklich in jahrelangen „Laboren“, aus denen dann am Ende ein relativ nichtssagendes und schwammiges Papier „Kunst- und Kulturförderung zukunftswirksam gestalten“ entstand, das vor kurzem vom Gemeinderat verabschiedet wurde.
Viele wichtige Themen und Handlungsfelder kommen also auf den neuen Gemeinderat zu. Man soll hoffnungsfroh bleiben.
Bildquellen
- Neue Freiburger Kulturpolitik: Foto: Montage Flashar