Kunst

Die Möglichkeiten des Unmöglichen: Das Museum Frieder Burda zeigt die äußerst witzige und hintersinnige Ausstellung „ImPOSSIBLE“

Installationsansicht Daniel Knorr: „Calligraphic Wig“, 2019–2023 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: Nikolay Kazakov

Der Kunst ist nichts unmöglich. Welche Blüten Unmögliches in der Kunst treiben kann, zeigt die neue Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Die vielfältige, witzige, hintersinnige und äußerst unterhaltsame Schau „ImPOSSIBLE“ läuft bis zum 26. Mai. Es ist die beste Zeit, außen die Blütenpracht in der Lichtentaler Allee zu bewundern und innen im Museum die Möglichkeiten des Unmöglichen zu genießen.
19 Künstlerinnen und Künstler haben mit 31 Kunstwerken einen „Parcours mit Humor, Ironie und Tiefgang“ gestaltet, wie es Museumsdirektor Henning Schaper ausdrückt. Jede Arbeit erzählt eine Geschichte. Das fängt schon im Foyer an, wo man sich hinsetzen und einem Baum zuschauen kann. Zuerst denkt man, ein Video würde das Wachstum des Baums zeigen. Aber David Claerbout lässt in seinem Film den Baum 5 Jahre lang in der Zeit zurück wachsen, bis zu dem Moment, in dem er gepflanzt wurde.
In den Himmel wächst ein Turm, der die Wolkenkratzer zu seinen Füßen wie Zwerge wirken lässt. Frank Lloyd Wright entwarf 1956 die Architektur dieses nadelspitzen Wunderbauwerks, gebaut wurde es nie. Der Künstler David Romero gibt mittels Computeranimation den nicht realisierten Entwürfen Wrights ein neues Leben als Kunstwerk. Neo Rauch arbeitet ganz traditionell mit Öl auf Leinwand und hat Spaß daran, Begriffe oder Redewendungen wörtlich zu nehmen. Seine „Ausschüttung“ bezieht sich nicht etwa auf Dividenden, Renditen oder Tantiemen. In einer fantastischen Landschaft stehen Menschen mit Schüsseln, aus denen sie Flüssigkeiten und andere Dinge ausschütten. Das ist realistisch gemalt und zugleich komplett irreal.
In einer knallorangefarbenen Kabine sieht man eine Büroeinrichtung von links nach rechts und zurück rutschen, als wäre sie auf einem Schiff und würde bei Sturm durchgeschüttelt. Genau das ist auch passiert, 2008 geriet das Kreuzfahrtschiff „Pacific Sun“ vor Neuseeland in ein heftiges Unwetter. Thomas Demand spielt in seinem Video „Pacific Sun“ diese Situation nach, ganz ohne Menschen, nur mit Möbeln. Dass die Einrichtung aus Papierobjekten in einer nachgebauten Umgebung besteht, sieht man ihr nicht an.
Was ist real, und was ist Illusion? Eine Frage, die sich in „ImPOSSIBLE“ öfters stellt. Da blüht ein prächtiger Garten, in dem eine wunderschöne Villa steht. Plötzlich zerreißt eine stumme Explosion die Idylle, in Nahaufnahme sieht man zwei verzweifelte Vögel, offenbar ebenfalls Opfer der Explosion. Doch der Schrecken von „Birdcage“ beruht auf einer meisterhaften Illusion, eingerichtet von David Claerbout.
Und wie kommen die Lautsprecher in den Wald, der eindeutig aus einem Kupferstich des 19. Jahrhunderts stammt? Aylin Langreuter hat sich den Spaß gemacht, aus einem Flohmarktfund, einem Buch mit Kupferstichen von Gustave Doré, eine neue Realität zu zaubern. Dank Fotoprint auf Leinwand hängen in der Reihe „Nachtmusik“ Lautsprecher statt Nistkästen in den Bäumen. Auch Langreuters „Bombenentschärfer“ beruht auf der digitalen Bearbeitung eines historischen Kupferstichs von Doré. Alexander Timtschenko, der die Schau kuratiert, sieht in diesem Werk die Illustration der gegenwärtigen Stimmung im Land. Entschärft die Figur im Schutzanzug eine Bombe, oder legt sie gerade eine Bombe? Man weiß es nicht..
Da möchte man sich doch zur Erholung in die verlockend spielerische Welt von Daniel Knorr begeben. Ein Raum aus Spiegelfolie, in dem lauter poppig bunte, surreale Formen an unsichtbaren Fäden von der Decke hängen. Knorr hat die Ausschüsse einer Recyclinganlage für Kunststoffe in Hongkong gesammelt und mit Autolack angesprayt. Die Palette der Farben geht zurück bis in die 1960er Jahre. Der Künstler fand die entsprechenden Mixturen dafür. Knorr erinnern die wilden Formen an kalligraphische Zeichen, deshalb nennt er seine Installation „Calligraphic Wig“. Betreten ist ausdrücklich erwünscht, damit man ein bisschen wie Alice im Wunderland verzaubert zwischen den magischen Formen umherwandert. Im Grunde gilt das für die ganze Ausstellung, in der man mit Vergnügen die absonderlichsten Dinge und Vorgänge entdecken kann, vom Rennmotorrad, dem genau in der Mitte ein Teil fehlt, bis zu dem kleinen Mädchen, das einen roten Ball schweben lässt.

„ImPOSSIBLE“, Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden, Di-So 10-18 Uhr. www.museum-­frieder-burda.de Bis 26.05.2024

Bildquellen

  • Installationsansicht Daniel Knorr: „Calligraphic Wig“, 2019–2023 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024;: Foto: Nikolay Kazakov
  • Loretta Lux: „The Red Ball 1“, 2000. Ilfochrome-Druck, 30 x 30 cm. Courtesy of Torch Gallery, Amsterdam: © Loretta Lux / VG Bild-Kunst, Bonn 2024