Und jetzt diese Übersicht
Arte Povera aus der Sammlung Goetz im Kunstmuseum Basel
Bereits auf der documenta (13) war es nicht zu übersehen: die Arte Povera genießt neue Aufmerksamkeit. Mag sein, dass sich die Zeiten ähneln – auch in den 1960er Jahren, als diese Kunstströmung entstand, befand sich Italien in der Krise – , mag es daran liegen, dass heute junge Künstlerinnen und Künstler ähnlich arbeiten.
Das Kunstmuseum Basel wartet nun mit einer Ausstellung auf, die die Arte Povera als Fanal eines großen Aufbruchs wertet. Sie zeigt ausschließlich Werke der Sammlung Goetz. Es sind unter anderem Arbeiten von Alighiero Boetti, Jannis Kounellis, Mario Merz und Michelangelo Pistoletto, die die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz in den 1970er Jahren erwarb. Es war eine Zeit, in der die eigentliche Aufmerksamkeit des Kunstmarktes auf der amerikanischen Minimal Art lag. Der Kunstkritiker und Kurator Germano Celant gab der Arte Povera ihren Namen, ausgehend von den viel zitierten armen Materialien Erde, Glas, Holz, Neonlicht oder Wachs. Die Künstler selbst verstanden sich nicht als geschlossene Bewegung.
Dass öffentliche Häuser Privatsammlungen eine Plattform bieten, hat sich in den letzten Jahren eingebürgert. Man denke an die Präsentation von Werken der Moderne aus der Sammlung der Kunsthändlerfamilie Nahmad im Kunsthaus Zürich oder die Ausstellung mit Werken Anselm Kiefers aus der Sammlung Grothe in der Bundeskunsthalle Bonn, die am Ende für einen handfesten Skandal sorgte, der mit dem Weggang ihres Leiters Robert Fleck endete. So etwas ist in Basel nicht zu befürchten. Und doch wundert es, wie groß das Zutrauen ist, dass man in die Sammlung Goetz setzt. Es ist derart groß, dass man es nicht für nötig hielt, die Werke der zwölf Künstler etwa durch solche aus dem Besitz der Emanuel Hoffmann-Stiftung zu ergänzen oder zu erweitern. Das ist auch insofern problematisch, als sich die Ausstellung den Anschein gibt, einen Überblick über die Arte Povera zu geben.
Vordergründig setzt „Arte Povera. Der große Aufbruch“ auf Überwältigung. Bernhard Mendes Bürgi möchte sichtlich keine museale Hängung zeigen. Eher scheint er sich an Harald Szeemanns bahnbrechende Berner Ausstellung „When attitudes become form“ anzulehnen. Doch die Überfülle an Arbeiten allein, die einem bereits im ersten Saal begegnet, genügt nicht, um sie virulent zu halten. Ping – Pong leuchtet es im Wechsel links und rechts von der Eingangstür zum zweiten Raum, es ist eine Installation mit roter Leuchtschrift von Alighiero Boetti. A
uch Pier Paolo Calzolaris Arbeit „Senza Titolo“ aus dem Jahr 1972 befindet sich in diesem Raum, die aus einer weißen Matratze auf einem Bettgestellt besteht, auf ihr befinden sich eine geöffnete Nuss und eine rote Rose, die in der Matratze steckt. Dahinter hängt eine monochrom blaue Leinwand. All das wirkt wie die Hinterlassenschaften einer Performance oder eine Objekt gewordene Bildvorstellung. Doch weiter geht es schon zu Jannis Kounellis Buchstabenbild, Pino Pascalis „Mitragliatrice“, einem Maschinengewehr und Calzolaris „Un flauto dolce per farmi suonare“. Die Fülle, die hier präsentiert wird, lädt nicht unbedingt ein, genauer hinzusehen. So hängt Luciano Fabros „L’italia d’oro“ wie vom Künstler vorgesehen von der Decke, doch diesen mit Blattgold überzogenen bronzenen Umriss von Italien übersieht man leicht in seiner lapidaren Form. Manches überrascht schlicht durch seinen geschmäcklerischen Umgang mit dem Material. Fabros „Piede“, zwei Krallen, einmal aus Metall, das andere Mal aus Muranoglas, die mit Seidenüberzügen bemäntelt sind, stehen sichtlich für den Zeitgeschmack der frühen 1970er Jahre und wirken heute kitschig.
Was sich an der Auswahl der Arbeiten zeigt, ist das Interesse der Künstler die inhärente Energie der Dinge zu zeigen. Deshalb das Wasserkesselkonzert von Pistoletto, das von einem Haufen Altkleider umrahmt wird, in deren Zentrum sich Wasserkessel befinden, deren Dampf die Scheiben über ihnen beschlagen. Und deshalb das große Interesse an der Elektrizität und dem Licht. Und das omnipräsente Erbe der Antike erweist sich als eines der Themen, an dem die Künstler sich abarbeiten. Doch als inhaltliche Auseinandersetzung liegt dies brach in der Ausstellung.
Arte Povera. Der große Aufbruch. Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16, Basel. Öffnungszeiten: di-so 10-18 Uhr. Bis 3. Februar 2013.
Annette Hoffmann