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Helmut Grieser und Manfred Böll beeindrucken in Ernst Jandls Konversationsstück „Humanisten“ im E-Werk

Zwei alte Herren im Pyjama und zwei Campingstühle, die immer wieder bedrohlich knarren – mehr gibt es nicht zu sehen auf der hell ausgeleuchteten Bühne im Kammertheater des Freiburger E-Werks. In diesem Fall ist es genug für sechzig Minuten packendes, hellwaches Schauspiel: Helmut Grieser und Manfred Böll (beide plus/minus 80 Jahre alt) beeindrucken im 1976 in Graz uraufgeführten Konversationsstück „Humanisten“ des Wiener Dadaisten Ernst Jandl nicht nur mit Bühnenpräsenz, sondern palavern, schwafeln und brabbeln auch souverän in sprachverspieltem Kauderwelsch. Gesprochen wird hier ganz ohne Konjugationen eine Art bildungsbürgerlich-verschwurbelte, in ihre rudimentären Einzelteile heruntergebrochene Kanak-Sprach – schon das hat Witz.
Vorgeschaltet ist eine Szene aus Becketts „Endspiel“ – draußen die Katastrophe, drinnen Clov und Hamm, Diener und Herr, die beide „noch zögern zu enden“, aneinander gekettet in Überdruss, Resignation und Abhängigkeit. Dann der Bruch: Grieser, im Trenchcoat über´m Schlafanzug, streift die schwarze Brille ab und stellt sich vor: „ich hier, damit sein ein mensch in stücken“. Was folgt, ist ein Battle der nichtigen Wichtigkeiten: „kunstler“, der eine, sogar „nobelpreis-kunstler“, „witzenschaftler“, der andere, „professor“, natürlich. Worauf er gleich einen „nazispruchen“ zum Besten gibt, gekontert wird von „m 2“ mit einem verhackstückten Goethegedicht. Es geht um die heilig deutsche muttersprach, um burgentheater, salzburger fetzenspiele, vaterland und schäferhundli – im Gegensatz zu „kritzelhäuselpisselwand“ glauben diese zwei nicht nur die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, sondern auch sämtliche Bedeutungshoheit. Zwar sind sie erklärtermaßen „schwanzengeil“, aber immer mitten drin in der Kirche und sowieso: „Frauen seien keine Menschen“ und „viel kunst heute schmutzen sein ….kulturenschaden.“
So geht es weiter in mäandernder, fast musikalischer Endlosschleife, mit Wiederholungen und Verballhornungen – längst hat man den Geist dieser zwei Grantler erkannt und der ist radikal elitär, chauvinistisch, nationalistisch. Trotzdem guckt und hört man den beiden in der Bühnenfassung von Helmut Grieser gefesselt zu – so leidenschaftlich deklamieren, ranzen, knötern und stammeln sie wie eine kaputte Schellackplatte ihre absurden Sprachschlingpflanzen, beschimpfen sich als „tollenpatschen“ und „grossen maulen“,um sich nach allerhand „sackengassen“ wieder zu versöhnen und verbrüdern. Ihr Gerede ist hochkomisch, dabei komplett humorlos. Aufgeblasenes, moralinsaures Hirngewichse, Tiefsinns-irre, ewiggestrig, bestehend aus Floskeln und Posen, mitten aus dem Land der braunen Soße. Und in seiner Dekonstruktion so bieder-staubig, dass man sich mehr Modernisierungen gewünscht hätte wie ihr Geschimpfe auf „terroristen kunstwerke verkleben“!
Es ist ein grandioses Kasperletheater, das „Die Tollenpatschen“ um Dramaturgin Ingrid Israel, Regisseur und Ex-Intendant Gerd Heinz und Schauspieler Rudi Grieser hier gefördert vom Kulturamt Freiburg entwickelt haben. grossen applausen!

Weitere Termine: 19.-21.10., je 20.30 Uhr, E-Werk.

Bildquellen

  • Helmut Grieser und Manfred Böll: Foto: Albert Josef Schmidt