LiteraturMusik

Chansonnier und Poet – Georges Brassens

Er gilt als Poet unter den Chansonniers und hat einen unverkennbaren Sound mit Gitarre erschaffen und dazu frivole und heitere Texte. Bei Georges Brassens (1921-1991) kann das Abenteuer des Lebens an jeder Straßenecke beginnen („Il suffit de passer le pont“), gerne auch bei Regen („Le parapluie“, „L‘orage“). Das Alter spielt übrigens bei wichtigen Dingen keine Rolle, heißt es in „Le temps ne fait rien à l’affaire“, denn wer ein Idiot ist, ob jung oder alt, der bleibt eben einer. Spätestens in den 1960er Jahren konnte man diese neuen Töne per Radio entdecken, so auch Gisbert Haefs, der nun die Sisyphusarbeit bewältigt hat, fast fünfhundert Chansons ins Deutsche zu übertragen.

Brassens beeinflusste viele Musiker, Jean Ferrat und Barbara interpretierten ihn, mit Charles Trenet und Juliette Gréco trat er mitunter im Duo auf. Deutsche Liedermacher, darunter Degenhard, Hannes Wader und Reinhard Mey, fanden seinen Stil hinreißend; denn er setzte sich für die Nachkriegsgeneration erfrischend vom schmalzigen Pathos ab, das in der deutschen Liedkultur vorherrschte. Mit einer respektlosen Sprache, die etwa sakrale und sexuelle Flüche verdreht, hat er gegen den guten Geschmack verstoßen („Le Pornographe“, „La Ronde des jurons“); mit einem Seitenhieb gegen die Todesstrafe („Le Gorille“) landete er auf dem Index. Sein Verhältnis zu Frauen war gewiss kein trauriges Kapitel, bald besingt er es derb („Cupidon s’en fout“), bald als graziöser Minnesänger („Dans l‘eau de la claire fontaine“, „Je me suis fait tout petit“). Heiraten besser nicht („La non demande en mariage“) und Liebesleben geheim halten. Empathie zeigt er für das Los Unterdrückter („La complainte des filles de joie“); sein Chanson „Misogynie à part“ könnte heutzutage Sittenwächter auf den Plan rufen. Durch sein gesamtes Oeuvre zieht sich Sympathie für die einfachen Leute, eine Wirtin oder einen Köhler („Chanson pour l’Auvergnat“), die er für hilfsbereiter hält als die saturierten Bürger.

Im südfranzösischen Sète geboren, hat Brassens vorwiegend in Paris gelebt. Diskret und schüchtern sei er gewesen, anarchisch, aber nicht bereit zu kämpfen („Mourir pour des idées“). Seine Skepsis gilt jeder Gruppenseligkeit, sich selbst begreift er melodiös als störendes Unkraut („La mauvaise herbe“) und lässt wissen: „Der Plural taugt nichts für den Menschen / und sobald man / Mehr als vier ist / ist man ein Haufen Ärsche“ („Le pluriel“). Er feilte akribisch an der Form seiner Chansons, verfügte über detaillierte Kenntnis der französischen Literatur, war vertraut mit Verlaine, Prévert und Valéry. „Les amours d’antan“ verweist etwa auf die berühmte „Ballade des dames du temps jadis“ von François Villon. Den eigenen Kriegserlebnissen gab er wenig Raum, obwohl er 1943/44 in Basdorf bei Berlin (wo ihn heute ein Platz ehrt) Zwangsarbeit leisten musste. Vielmehr erzählt er z.B. von zwei Onkeln („Les Deux Oncles“), die im Krieg fielen, einer gegen die Deutschen, der andere gegen die Engländer. Wären sie nicht tot, würden sie gerne sagen: „Es ist völlig verrückt, sein Leben für Ideen zu riskieren (…) ein kleines Forget me not für meinen Onkel Martin / ein kleines Vergissmeinnicht für meinen Onkel Gaston / armer Freund der Tommys, armer Freund der Teutonen (…)“. Wer keine Schallplatten und CDs aus alten Zeiten besitzt, kann auf YouTube Vieles abrufen und das Hörvergnügen nun mit einem besseren Verständnis der Texte begleiten.

• Georges Brassens. Die Chansons. Französisch/Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Vorwort von Gisbert Haefs. Mandelbaum Verlag 2021

Bildquellen

  • Georges Brassnes: Foto: Mandelbaum Verlag
  • Georges Brassens: © D. FALLOT/AF