Kunst

Minimalistische Illusionen: „Backspace. Sebastian Dannenberg“ im PEAC Museum Freiburg

Die Ausmaße von „Pyramids“ sprengen mit über vier auf vier Metern das Übliche. Um die orangefarbene Fläche auf die Wand im PEAC Museum zu bringen, wird es ein Gerüst gebraucht haben. Aber nicht dieses. Denn Sebastian Dannenberg hat Stahlrohre direkt auf die Farbfläche geschraubt. Und da dieses Gerüst keine Bretter hat, kann man die Spuren des Malens verfolgen. Wie er den Pinsel ansetzte und ihn führte. Die Materialien, mit denen Dannenberg arbeitet, sind funktional, man könnte sie in der näheren Umgebung des PEAC Museum im Baumarkt finden. Auf den Gipskartonplatten, mit denen er in einem der folgenden Räume eine Art Paravent stellt, kann man den Produktnamen lesen: „Raumlatten“ sowie die Spachtelmasse, mit der man sie bearbeiten soll. Dass man mit solchen Materialien etwas schaffen kann, das illusionistisch ist, überrascht. Selbst in einer Sammlung, die Werke von Donald Judd und Dan Flavin umfasst – und auf die Dannenberg reagiert –, die aus Stahlmodulen und Leuchtmitteln bestehen.
Es ist ja keineswegs neu, auf industriell vorgefertigte Teile, insbesondere auf Module zurückzugreifen. Doch bei Dannenberg zeigt sich oft eine persönliche Geste oder das Objekt spiegelt eine Funktion vor, die es nicht hat. So muss man angesichts von „space safer“, einer Arbeit von 2018, an einen Handtuchhalter denken, obwohl man weiß, dass Dannenberg hier Malerei und Plastik zusammenführt und keineswegs unter die Designer gegangen ist. Wie nur wenige zuvor reagiert der bei Bremen lebende Künstler auf die Sammlung und die Räume. So zieht sich auf einer Handbreit hohen weißen Bahn ein schwarzer Streifen vom Boden hin zur Wand, die im gegenüberliegenden Raum weitergeführt wird bis die Farbe ausläuft.
Manchmal sind die Eingriffe, um die alles dominierende Struktur der Raumfolge aufzulösen, subtiler. Da reicht wie in „Colour remastered“ eine kleine Farbfläche, bei der Stahldraht übers Eck geführt wird, der auf schwarzen Gummischeiben liegt. Dieser sehr besondere Umgang mit dem Raum findet seine Entsprechung im Verhältnis zur Sammlung. So war Dannenberg Meisterschüler von Stephan Baumkötter, der mit seinen Arbeiten in der Sammlung und dieser Ausstellung „Backspace. Sebastian Dannenberg“ vertreten ist. Und mit Josef Albers verbindet ihn eine der frühesten Seherfahrungen überhaupt und nebenbei auch der Geburtsort Bottrop, so dass Dannenberg einerseits für Raum sechs den Saalzettel geschrieben hat und andererseits dass Albers‘ Siebrucke aus der Sammlung so etwas wie der Nukleus dieses Raumes sind, um den Arbeiten von Fred Sandback, Antonio Scaccabarozzi oder Stephan Baumkötter kreisen. Sie werden neben eigenen Werken Dannenbergs in einer Art Petersburger Hängung präsentiert. Auf die Räume hat Sebastian Dannenberg mehrere Textarbeiten verteilt, deren Großbuchstaben nach links gewendet und an einer Schiene montiert sind. „Low“, „Center“, „Backyard“ sind ihre Botschaften, die auch etwas mit Rauminszenierung zu tun haben.
Die größte Illusion an den Werken dieser Einzelausstellung, die auch ein Dialog mit dem Minimalismus darstellt, ist, dass die Annahme, ihren Entstehungsprozess nachvollziehen zu können. „Not yet…“ aus diesem Jahr besteht aus einem Kreis aus Farbe und einer Art Zirkel, einem Pinsel, der an einem Seil hängt. Der Titel impliziert, dass die Arbeit noch zu keinem Ende gekommen ist. Sind es die Betrachtenden, die sie vollenden, lässt sich die Geste unendlich wiederholen? Wir sehen, dass das Machen Teil der Arbeit ist. Und dass sie nicht ausgedeutet sind, wenn man ihre Teile benennt. Für „Chewing Gum Diary“ hat Dannenberg mehrere Pflanzenkübelelemente aus Kiesbeton gestapelt oder auf den Boden gelegt. Umrundet man sie, zeigt sich, wie sehr sie durch die Kaugummifarben Pink und Mintgrün an der Einbuchtung ihren Charakter verändern. Die Kante, an der die Module aufeinanderstoßen, wird zur Linie, die Fläche zur Malerei. Wenn das nicht eine Transformation ist.

Backspace. Sebastian Dannenberg. PEAC Museum, Robert-Bunsen-Str. 5, Freiburg. Di-Fr, So 11-17 Uhr. Bis 30. Oktober 2022. www.peac.digital

Bildquellen

  • Sebastian Dannenberg: „apm aircondition“, 2016, 2018, Lack, Regalböden, Architektur, Kabel, Maße variabel.: Foto: Bernhard Straus