Kunst

Stephan Hasslinger & Ludwig Quaas: Künstlerisches Arbeiten mit Ton (Ausstellung „La terre – eine gemeinsame Leidenschaft“)

Stephan Hasslinger, Hybrid: Keramik / Glasuren / Platin, 66 x 35 x 45 cm, 2-teilig, 2021
(© Hasslinger)

Nicht allzu oft sieht man heutzutage eine Kunstausstellung ausschließlich bestückt mit irdenen Arbeiten. Dabei bedeutet das keineswegs eine Beschäftigung mit minderwertigem Material; vielmehr: Es tritt das Ursprüngliche bei der Formung mit den Händen oder einfachstem Werkzeug oft besonders zutage. Deshalb bildeten Tonplastiken über die Jahrtausende immer wieder Experimentierfeld für die großformatige Skulptur in Stein oder Metall. Stephan Hasslinger und Ludwig Quaas nehmen sich der Aufgabe an und zeigen in Gemeinschaft ihre aktuellen Produkte ab dem 17. Juli im Alten Wiehrebahnhof.
Stephan Hasslinger, der seit Jahrzehnten bekannt ist für seine feinsinnigen Keramiken, bisweilen klein und bescheiden als Wand-Aufhänger, oft aber auch zu groß dimensionierten Objekten und Türmen sich emporschwingend, motivisch meist der Alltagsanschauung entlehnt, durch Farbe und Lasur verfremdet – Hasslinger gab den Impuls: Denn das Projekt geht auf eine Sommerakademie im E-Werk 2018 zurück, die er anbot. Als Teilnehmer dabei war auch der emeritierte Medizin-Professor Ludwig Quaas, der seit geraumer Zeit seiner alten Passion, der Malerei, frönt und dabei in der zurückliegenden Dekade schon einiges Bemerkenswertes zustande brachte. Quaas entdeckte das Genre des plastischen Formens für sich neu – und nahm im Anschluss privaten Unterricht bei Hasslinger, kaufte sich einen eigenen Brennofen für das heimische Atelier und schuf seitdem eine Vielzahl tönerner Kunstwerke. Jetzt finden beide erneut zusammen und präsentieren somit auch das Ergebnis eines gemeinsamen Schaffensabschnitts.
Hasslinger erhielt 2020 ein Corona-Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Im Zentrum seines Projekts steht die Idee, in einer „Hybrid-Form“ ein historisches Menschenporträt zu verwenden und verfremden. Er wählte sich, klug und sehr anspruchsvoll zugleich, als Ausgangspunkt das berühmte kleinformatige Öl-Bildnis von der Hand des Domenico Ghirlandaio, das dieser von der jungen Florentinerin Giovanna Tornabuoni aus edler Familie der Albizzi 1490 anfertigte. Anspruchsvoll deshalb, weil aus dem zweidimensionalen Porträt im Profil eine dreidimensionale Arbeit werden mochte (allerdings boten die ornamental-herabfallenden Haarlocken des linken Profils der schicken Dame geradezu ein ‚gefundenes motivisches Fressen‘ für Hasslinger). Klug, weil ein Werk aus dem Scharnier zum Beginn der Neuzeit genommen ist – heute, in der ‚gefühlten‘ Zeitenwende womöglich anspielungsreich und vielsagend. Als Resultat sehen wir halb das neu interpretierte Bildnis, in der zweiten Hälfte ein keramisches Rankenwerk in kühler Farbgebung als Kontrast zum Bleu des verbliebenen Gesichts. Und fragen uns, wie es weiter gehen mag: mit uns, der Kunst und der Zeit überhaupt.
Quaas gibt ebenfalls tönerne Köpfe, vor allem jedoch vermeintlich, nicht immer dann wirklich Abstraktes. Vorrangig bei ihm scheint der Gedanke, die ‚Handarbeit‘ offensichtlich werden zu lassen. In einer Mitteilung des Künstlers heißt es: „Es entstehen einerseits teils bizarre an geronnene Lava erinnernde Strukturen oder in der Farbigkeit einem Korallenriff vergleichbare Gebilde, andererseits auch rundliche gebogene weiche Formen, die weibliche Elemente verkörpern. Den Hauptteil nehmen die geschwungenen flügelartig geformten, oft lediglich mit weißer Glasur überzogenen Formgebilde ein, die trotz ihres Gewichts Leichtigkeit und Schwerelosigkeit vermitteln sollen.“

Stephan Hasslinger – Ludwig Quaas: „La terre – eine gemeinsame Leidenschaft“. Ausstellung im Alten Wiehrebahnhof Freiburg. 17. Juli bis 28. August 2022. Vernissage: 17. Juli 2022, 17 Uhr.

Bildquellen

  • Stephan Hasslinger, Hybrid: Keramik / Glasuren / Platin, 66 x 35 x 45 cm, 2-teilig, 2021: (© Hasslinger)
  • Ludwig Quaas, o. T.: gebrannter Ton glasiert, 38 x 30 x 24 cm, 2021: (© Quaas)