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Im Gespräch: Benedikt von Peter, neuer Intendant am Theater Basel

In Basel ist der deutsche Regisseur kein Unbekannter: 2009 hat er Poulencs „Dialogues des Carmélites“ inszeniert, 2011 Wagners „Parsifal“. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Götz Friedrich-Preis für „Chief Joseph“ am Theater Heidelberg, 2011 mit dem Deutschen Theaterpreis „DER FAUST“ für Nonos „Intolleranza 1960“ an der Staatsoper Hannover sowie 2015 mit dem Kurt Hübner-Preis für seine Regiearbeiten und sein Opernprogramm am Theater Bremen.
Der 43-jährige Kölner ist Opernspezialist. Er gilt als Theatererneuerer mit viel Gespür für Menschen. Gabriele Beinhorn sprach mit Benedikt von Peter.

Kultur Joker: Musikwissenschaft, Germanistik, Jura, Gesang: Sie haben erst in Bonn studiert, später in Berlin. Mit Kommilitonen haben Sie die Akademie Musiktheater Berlin-Salzburg (inzwischen Akademie Musiktheater der Deutschen Bank Stiftung) initiiert.

Benedikt von Peter: Ja, da war neben dem Dramaturgen Benjamin Blomberg auch Viktor Schoner dabei – inzwischen Intendant an der Staatsoper Stuttgart -, der Dirigent Titus Engel und der Opernregisseur David Hermann. In der Ursprungsgruppe von 12-15 Leuten war ich dabei, die hat Gerard Mortier gegründet. Bei den Salzburger Festspielen war da so eine academy, wo wir Leute aus der Praxis aber auch Kulturstiftungen eingeladen haben. Mortier ist auf uns aufmerksam geworden und hat uns jedes Jahr nach Salzburg geholt. Drei Jahre lang waren wir bei den Festspielen. Dort haben wir dann Proben geguckt, Künstlergespräche u.ä. Bei den Salzburger Festspielen wurde ich dann Mortiers Assistent. Mit ihm habe ich dann auch die Ruhrtriennale vorbereitet. Später bin ich abgesprungen, weil ich Regie führen wollte, nicht Organisation machen.

Kultur Joker: 2003 sind Sie Assistent an der Hamburgischen Staatsoper geworden. Dort haben Sie die deutsche Erstaufführung von Péter Eötvös’ „Angels in America“ inszeniert. Später konnten Sie u. a. mit Peter Konwitschny, Peter Mussbach, Luca Ronconi arbeiten. Außerdem als Regiemitarbeiter von Christof Loy. Was haben Sie von diesen Künstlern gelernt?

Benedikt von Peter: Dass auch große Namen manchmal schlecht vorbereitet sind und nur mit Wasser kochen. Aber natürlich auch die Probenarbeit. Das ist ja ein Handwerksberuf, als würde man einen Tisch bauen. Man kann als junger Regisseur natürlich viel über das Theater studieren. Aber tatsächlich musst Du das dann auch machen. So nach und nach bekommt man heraus, wie Erzählen funktioniert, wie Du mit Sängern umgehst. Dass wir wissen müssen, was wir nicht wissen müssen, z.B. wie Chorarbeit geht. Das Regie-Handwerk habe ich extrem bei Christof Loy mitgenommen. Der war ein super Arbeiter mit den Sängern, auch mit dem Chor.

Kultur Joker: Selbst inszeniert haben Sie u.v.a. am „Hebbel am Ufer“, Berlin, sowie an den Opernhäusern in Heidelberg, Frankfurt, Basel, Hannover, an der Komischen Oper Berlin und an der Wiener Staatsoper. Inwiefern profitieren Sie von diesen Erfahrungen?

Benedikt von Peter: Wir proben einen Tag lang und bringen alles auf den Tisch als Regisseur. Du mußt dann 6 Wochen lang bis zur Premiere durchkommen mit allen Unwägbarkeiten. Du merkst auch, wie ein Haus geführt wird. Das ist harte Arbeit. Da braucht man Support vom Haus. Ich spüre, was wann ankommt und was nicht ankommt, dafür war das eine ganz wichtige Erfahrung. Wie funktioniert gutes Produzieren? Zum einen für denjenigen, der das machen muss, zum anderen für denjenigen, der das erleben muss. Man will ja ein „good producer“ sein. Das hat schon was mit dem Ergebnis zu tun, ist nicht alles Zufall. Wenn man etwas seriös produziert, dann wird das auch besser. Es gibt Regisseur*innen und Intendant*innen, die arbeiten über Verbote. So funktioniert das nicht. Dann der Vergleich mit den Abteilungen in den verschiedenen Häusern. Warum funktioniert das in der Requisite hier so, nicht anders? Es gibt extreme Fallbeispiele. Etwa die Sänger-Besetzung. Wie war der Prozess, und was kommt nachher dabei heraus? Mitspracherecht oder nicht?

Kultur Joker: Was ist Ihnen bei Ihren eigenen Inszenierungen wichtig?

Regisseur Benedikt von Peter und die Sänger Paul Curievici, Karl-Heinz Brandt und Nathan Berg bei den Proben zur neuen Oper „Saint François d’Assise“, Foto: Ingo Höhn

Benedikt von Peter: Eigentlich versuche ich immer, dass man so stark wie möglich und körperlich merkt, was die Musik von dem Stück will. Dass man da mitten rein versetzt wird. Ich glaube, ich bin schon die Post-Konwitschny-Generation, die sagt: „Versuche ein Tableau zu schaffen, in dem das Stück von sich erzählt“. Manchmal sind da größere Konstruktionen vonnöten, manchmal muss man dazu eine Geschichte erfinden, damit es den Leuten einfacher gemacht wird oder direkter. Und manchmal ist es mehr Storytelling, manchmal mehr Installation, je nachdem, was das Stück mitbringt. Das Stück soll auch von sich erzählen, so kräftig wie möglich. Auch die Energie der Musik sollte genutzt werden. Man sollte nicht irgendwas machen, und dann spielt da irgendwas im Orchestergraben: stattdessen die Power von diesem mehrdimensionalen Phänomen Musik auf die Rampe oder in den Körper kriegen.

Kultur Joker: Unter dem Motto „Platz für alle“ öffnet am 14. November das neue „Foyer Public“ mit einem Tanz-Ball mit französischem Retro-Charme. Das Foyer des Theaters hat sich verwandelt, wird täglich (außer montags) von 11 bis 18 Uhr geöffnet sein, gratis und konsumfrei. Es gibt Tanzbühnen, eine Bibliothek, Kinderecke und das Theater-Café. Bei der Sanierung haben Sie ein Wörtchen mitgeredet. Was erwartet die Theaterbesucher Neues vor Ort?

Benedikt von Peter: Also vor allem die neuen Fenster, damit man bis zur Kirche durchgucken kann, überhaupt das neue Theater-Café mit Zonen, wo man sich bewegen kann oder umsonst WLAN hat, es gibt neue Workshop-Räume, die Billett-Kasse kommt ins Foyer.

Kultur Joker: Im August und September hat das erweiterte Leitungsteam des Theaters Basel rund 40 Hausbesuche bei Privatpersonen, in Cafés, Bibliotheken oder bei anderen Interessierten absolviert. Warum?

Benedikt von Peter: Das hängt mit dem neuen Foyer zusammen. Das Foyer ist eine Art Quartiers-Entwicklungs-Projekt. Wir haben auch vor, den Jugendlichen, die den Vorplatz rund um das Theater bereits nutzen, unseren Raum zu öffnen und anzubieten.
Viele von den Leuten, die dort arbeiten, leben auch im Quartier. Dieses Nachbarschaftliche ist uns wichtig, dass man zu den Leuten geht und sagt: „Hallo, jetzt sind wir da und klingeln bei den Nachbarn.“ Oder bei den verschiedenen Institutionen, Kulturpartnern, Privatleuten oder bei Studenten in der WG.

Kultur Joker: Am 10. Oktober 2020 lädt das Theater Basel beide Basel zu einem Eröffnungsfest mit einem „Picknick am utopischen Tisch“ auf den Theaterplatz ein. Der führt vom Foyer ins Freie und dann wieder zurück zum Theater. Dazu choreographiert die Ballettcompagnie einen Tanz-Parcours durch die Stadt und rund um den großen Tisch. Abends präsentieren Studierende der Basler Musikhochschulen die szenische Installation: „Im Flow der Apokalypse“. Was erhoffen Sie sich davon?

Benedikt von Peter: Das ist immer so eine Mischung. Mir geht es ums Kennenlernen. So in mehreren Stufen, wie mit den Hausbesuchen. Sein Gegenüber kennenlernen. Das ist ja der Spaß für mich, rauszukriegen, was regional läuft. Was in der Kunstszene, im Theater läuft, das weiß ich ja schon. Aus so einer Begegnung irgendwas mitzunehmen, das man noch nicht kennt. Das ist das eine, das andere: auch in Kontakt zu kommen mit anderen Publikums-Schichten, Alltag und Theater zu verbinden. Das versuchst Du ja auch als Regisseur.

Kultur Joker: Olivier Messians Oper „Saint François d’Assise“ inszenieren Sie selbst (Premiere ist am 15. Oktober). Auch hier gibt es wieder ein besonderes Raumkonzept, das Sie wegen Corona nicht mal sonderlich ändern mussten.

Benedikt von Peter: Wir haben drei Monate lang nicht gewusst, ob wir die Rechte bekommen, eine coronakompatible neue Fassung zu machen. Jetzt darf der Chor zu seiner eigenen Aufnahme singen. Sehr speziell, was da passieren wird. Außerdem gibt es eine neue Fassung für das Orchester die ein Komponist eigens über den Sommer erarbeitet hat. Ein großer Aufwand also, nur damit diese Oper unter Corona-Vorzeichen aufgeführt werden kann. Durch den Raumklang der neuen Fassung wird das Ohr neu geöffnet für Messiaen.
Das Regie-Konzept ist weitgehend geblieben wie geplant. Wir haben für unsere Inszenierung jeden zweiten Sitz herausgenommen, um im sehr aufwendigen Bühnenbild eine postapokalyptische Stadt darzustellen. So ein realistisches Bühnenbild hatte ich noch nie. Man sitzt mitten in der Welt nach der Katastrophe.

Kultur Joker: Als Opern-Regisseure kommen: Romeo Castellucci mit einer Neuinszenierung seines „Requiems“ nach Mozart, Simon McBurney mit einem Gastspiel seiner „Zauberflöte“ und Herbert Fritsch mit dem „Intermezzo“ von Richard Strauss.
Hausregisseur Antú Romero Nunes zeigt gleich 5 Theater-Inszenierungen: Ovids „Metamorphosen“, den „Räuber Hotzenplotz“, Tschechows „Onkel Wanja“, Melvilles „Moby Dick“und die „Odyssee“.
Philippe Quesne ist mit der Space-Oper „Cosmic Drama“ zu erleben, der New Yorker Experimentaltheatermacher John Collins knöpft sich James Joyces „Ulysses“ vor, Dürrenmatts „Physiker“ werden im Kollektiv inszeniert.
Frauen fehlen in den Schlüsselpositionen Ihrer Crew. Warum?

Benedikt von Peter: Es gibt einfach weniger, es ist total schwierig, die zu finden. Es gab zwischendurch Opern-Regisseurinnen wie Tatjana Gürbaca, Vera Nemirova und solche Leute. Ich finde, man muss sich auch immer noch ästhetisch entscheiden dürfen. Wir gucken tatsächlich auch mit dem Filter, aber es gibt einfach weniger Regisseurinnen.

Kultur Joker: Ihr Drei-Sparten-Haus tritt mit neuem Ensemble und einer Viererspitze an. Gemeinsam mit dem Ensemble wird eine kooperative, interdisziplinäre Arbeitsweise entwickelt – als Abkehr vom Geniekult.

Benedikt von Peter: Vieles, was wir hier versuchen, ist eine spartenübergreifende Sprache, die für Basel funktionieren könnte: diese Mischung mit free, diese Art von Kunst, die wir für Schauspiel und Oper mitbringen, die Leute, die wir mitbringen.
Durch das Machen wird jetzt über lang oder kurz etwas Neues entstehen. Herbert Fritsch, der ist als Schauspieler und Regisseur in der Oper zuhause, Christoph Marthaler wird auch wieder kommen, der macht das ja auch schon lange. Hausregisseur Antú Romero Nunes hat in der Oper gearbeitet wie im Schauspiel. Ich habe ja auch so einiges, wo Schauspieler oder Performer drin waren. Ich glaube, die Dinge suchen sich ihren Weg, dann kommt halt Verschiedenes zusammen, wenn es Sinn macht. Das hängt ein bisschen auch von der Expertise der Leute ab, die man holt. Ob die in verschiedenen Sparten Erfahrung gesammelt haben. Dann wirkt das auch natürlich. Und darum geht es ja auch nachher. In einem Drei-Sparten-Haus ergibt sich das schneller. Das ist ja das Tolle!

Kultur Joker: Herr von Peter, wir wünschen Ihnen viel Erfolg in Basel und bedanken uns für das Gespräch.

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  • Benedikt von Peter: Theater Basel