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Das Theater im Marienbad erzählt mit „Krähe und Bär“ von einer wunderbaren Freundschaft

Das Glück sind die anderen

Ist es besonders perfide, dass Kinder Bärennippes und Mützen mit großen plüschigen Ohren in den Bärengraben werfen oder ist diese Mimikry Ausdruck einer distanzlosen Verehrung? Aber was wissen wir schon, die wir Tiere in Gehegen halten, um ihren Freiheitswillen ebenso zu brechen wie ihre Gefährlichkeit einzudämmen. Der Bär jedenfalls ist einsam, wenn auch satt. Denn auf sehr undurchsichtigen Wegen füllt sich der Kühlschrank jedes Mal neu, wenn der Bär (Benedikt Thönes) sein Mahl beendet hat. Wer hungrig auf dem Zoogelände hin und her fliegt, kann da schon mal neidisch werden (drei Mahlzeiten! Serviette mit Monogramm!) und zu seltsamen Annäherungen Zuflucht nehmen.

„Krähe und Bär“ im Theater im Marienbad

Die Krähe (Nadine Werner) jedenfalls ist so frei wie ein hungriger Vogel nur sein kann – da hilft auch alle Klugheit nicht. Sie flattert vom Wall in den Wassergraben, sozusagen in die Höhle des Bären: „kam wie eine Feder, fiel wie ein Stein“. Der Bär, der mit seinem Karohemd, der Lederjacke mit Webpelzbesatz und viel Plüsch aussieht, als hätte er die 70er Jahre Abteilung eines Secondhand-Ladens durchstöbert, rettet sie aus dem Nass. Sie jedoch hat vor allem Augen für seinen vollen Teller.
Martin Baltscheit erzählt in seinem Kinderbuch „Krähe und Bär“ von einer anrührenden Beziehung zwischen sehr unterschiedlichen Tieren, die würden sie zusammenlegen, weniger einsam und weniger hungrig wären. Doch eine Freundschaft zwischen Bär und Krähe ist in ihrem Erbgut nicht vorgesehen. Eigentlich. Tom Schneider hat für das Theater im Marienbad die Erzählung inszeniert, die wie eine Fabel ganz grundsätzliche Fragen debattiert. Das Bühnenbild Bernhard Otts lässt aus dem vergifteten Paradies der Vollpension eine Ausflucht jenseits der Mauer aufscheinen, doch sie ist mit Maschendrahtzaun versperrt. Von der Decke hängen Seile und Objekte, die den Bär beschäftigen, man könnte auch sagen, die seinen Hospitalismus besänftigen. Er kickt sie mit dem Kopf und starrt auf die verschlossene Metalltür, auf die die Krähe einen Horizont malt. Der Bär jedoch sieht nur Gitterstäbe.
Bär und Krähe, die zu schwarzen Hosen und Shirt einen glamourösen Federkragen trägt, sind sehr eigene Charaktere. Und sie haben Empathie. So viel, dass sie einen Rollentausch eingehen. Der Bär bekommt seine Freiheit, die Krähe so viel Junkfood, dass der Kühlschrank sich geradezu übergibt, sie aber immer fetter und vor allem phlegmatischer wird. Erwartungsgemäß geht das nicht wirklich gut aus. Man sieht Werner und Thönes gerne zu, erkennt genaue Tier- und Menschenbeobachtungen und überhaupt ist Tom Schneiders Inszenierung bis ins Detail gestaltet. Das ist schön anzusehen und keinen Moment langweilig. Umso mehr fällt auf, wie sehr die Erzählung ihren Protagonisten die Flügel stutzt.
Weitere Vorstellungen: 1./12./ 15. März, Theater im Marienbad, Freiburg. Ab 8 Jahren.

Annette Hoffmann