Kunst

“New Sensorium” – Ausstellung im ZKM Karlsruhe

Kunst soll zum Nachdenken anregen. Dass Kunst dabei auch noch Spaß machen kann, zeigt die Ausstellung „New Sensorium. Exiting from Failures of Modernization“, die bis zum 4. September im ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe zu sehen ist. „New Sensorium“ ist Teil der Globale, und dem Anspruch, Kunst weltweit wahrzunehmen, wird die Ausstellung voll und ganz gerecht. Kuratorin Yuko Hasegawa hat 16 junge Künstlerinnen und Künstler aus dem asiatischen und arabischen Raum eingeladen. Die meisten von ihnen haben eigens für „New Sensorium“ neue Arbeiten geschaffen mit den Mitteln, die heute auch unseren Alltag prägen: Computertechnologie, Video, Internet, Smartphone.

 

Es ist keine stille Ausstellung. „New Sensorium“, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, klingelt, dröhnt und scheppert sozusagen von allen Seiten. Nur der Hingucker gleich im Eingangsbereich beschränkt sich auf ein sanftes Plätschern. Wie schwarzer Regen fallen die Strahlen aus flüssigem Silikonöl in ein flaches Becken, wo sie einen schwarzen Teppich zu bilden scheinen. „Force“ ist ein faszinierendes Werk. Völlig anders, ästhetisch aber ebenso reizvoll, sind die Arbeiten der Inderin Rohini Devasher. Sie zaubert scheinbar neue, organische Formen auf den Bildschirm, spielt mit der Idee, künstlich neues Leben zu schaffen. Das ebenfalls in Indien beheimatete Raqs Media Collective greift auf eine historische Miniatur aus der Mogul-Zeit zurück. „Dying Inayat Khan“ zeigt einen sterbenden Mann, dem die Künstlergruppe posthum virtuelles Leben einhaucht. Einmal in einem Stil, der an Tim Burton erinnert, da lösen sich die Umrisse des Mannes auf, scheint der in Sepia gefärbte Arm mit der schlanken Hand alleine übrig zu bleiben bis das Profil des Gesichts an anderer Stelle wieder auftaucht. Direkt daneben die fast schon fröhlich bunte Version.

Erlaubt ist hier alles, was gefällt. Shiro Takatanis Videoinstallation „Toposcan“ lässt optisch die Landschaft aus flimmernden Streifen heraus wachsen. In „New Sensorium“ darf experimentiert werden, ob mit Instrumenten für Gehörlose oder großformatigen schwarzen Gemälden, die wie aus winzigen Einzelteilen zusammen gesetzt scheinen.

Den größten Geräuschpegel erzeugt die gigantische Videoinstallation „chains“, in der sich drei japanische Künstler mit der Währung der virtuellen Welt auseinander setzen, den bitcoins. Digitales Geld, das Bankgeschäfte ersetzt und deshalb in Verruf geraten ist, denn gerade für dunkle Geschäfte sind bitcoins beliebt. Im Sekundentakt fliegen die bitcoins auf den Bildschirmen über die globalisierte, vernetzte Welt.

Unbeschwert spielt die japanisch-britische Künstlerin Sputniko! mit Elementen der Popkultur. Ihr Künstlername ist Programm, im Musikvideo „The Moonwalk Machine – Selena’s Step“ träumt die Protagonistin davon, als erste Frau auf dem Mond ihre Spuren zu hinterlassen, in High Heels! In ihrer Fantasie verwandelt sie sich in Lunar Girl, die erkennbar und absichtlich Manga und Fantasy Figuren zitiert. Und sie baut sich eine Maschine, die ihre High Heels auf dem Mond zum Einsatz bringen soll. Berühmt wurde Sputniko!, als sie ihre Abschlussarbeit auf Youtube veröffentlichte, wo das Musikvideo ungeahnten Erfolg hatte. Zu einem coolen Soundtrack legt sich ein Transvestit eine „Menstruation Machine“ an, um nachzuempfinden wie sich Frauen fühlen, die gerade „ihre Tage“ haben. Das von der Künstlerin dafür konstruierte Gerät, das an einen postmodernen Keuschheitsgürtel denken lässt, wird ebenfalls ausgestellt.

„New Sensorium“ gibt einen anregenden, sehr abwechslungsreichen Einblick in die Welt, wie sie von nicht europäischen Künstlerinnen und Künstlern gesehen wird.

Die Ausstellung ist bis 4. September im ZKM in Karlsruhe zu sehen. Geöffnet: Mi – Fr 10 – 18 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr.Nike Luber