40 Jahre „Fabrik“ – Drei Akteurinnen und Akteure im Interview
Transparent, innovativ und ohne Scheuklappen
Seit 40 Jahren verbindet die „Fabrik für Handwerk, Kultur & Ökologie e.V.“, erfolgreich Soziales, Kulturelles und Wirtschaftliches. Fabian Lutz sprach drei Menschen, die vor und hinter den Kulissen der Fabrik agieren: Martin Wiedemann, einer der Geschäftsführer des Fabrik-Vereins, Thomas Bethmann von der Freien Holzwerkstatt in der Fabrik sowie Heide Serra von der Hilfsorganisation Amica.
Kultur Joker: Im letzten Kultur Joker war von 320 Jahren Fabrik die Rede. Sind Sie wirklich schon so alt?
Thomas Bethmann: 320 Jahre ergibt die einfache Addition der Jubiläen aller Fabrik-Jubilare. Das ist die Fabrik selbst mit 40 Jahren, 40 Jahre Freie Holzwerkstatt, 40 Jahre Keramikwerkstatt, 40 Jahre Motorradclub Kuhle Wampe, 35 Jahre Fahrradwerkstatt, 30 Jahre Theater im Vorderhaus, 30 Jahre Druckerei schwarz auf weiss, 30 Jahre Naturschule, 25 Jahre Amica und 10 Jahre Vorderhaus-Gaststätte mit neuem Pächter. Ganz respektabel für ein soziokulturelles Zentrum wie es die Fabrik ist.
Kultur Joker: Was meint „soziokulturelles Zentrum“?
Thomas Bethmann: Das ergibt sich schon aus dem Namen: „Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie“. Was mich an der Fabrik immer fasziniert hat, ist, dass die Leute hier durchweg mit vollem professionellem Engagement und Herzblut arbeiten. Ökologie, Soziales, Kultur, das Miteinander und der Eifer, eine neue Idee gut umzusetzen, stehen im Mittelpunkt, nicht das Profitinteresse. Intern punktet die Fabrik mit innovativen Netzwerken und Zusammenarbeit nach innen und außen. So entstehen immer wieder tragfähige und fruchtbare Partnerschaften wie etwa die „Freiburger Partner“, unser Freiburger Handwerkernetzwerk.
Martin Wiedemann: 1978 sind wir hierhergekommen, weil Räume gebraucht wurden, Freiräume für etwas, das sonst keinen Raum bekommt. Da ist in Freiburg mit der Fabrik, dem Grethergelände oder der Spechtpassage ja aus einer starken Bewegung heraus etwas entstanden. Alle diese Leute haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie keine Scheuklappen hatten. Sie haben sich immer auch mit dem beschäftigt, was über ihren eigenen Betrieb hinausgegangen ist. Wir verbinden regionale Wirtschaft mit sozialen und kulturellen Ideen.
Kultur Joker: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Martin Wiedemann: Mit unseren Sponsoren, der Volksbank Freiburg und den Elektrizitätswerken Schönau und engagierten Privatleuten haben wir einen Verein ins Leben gerufen, der Solidarenergie heißt. Die Stadt Freiburg hat uns eine Dachfläche auf der Edith-Stein-Schule gegeben, die von der EWS mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet wurde. Die Erlöse durch diese und andere Anlagen gehen an den Verein Solidarenergie und die Volksbank verdoppelt den Betrag dann, sodass wir jedes Jahr gut 15.000 Euro für soziale und kulturelle Initiativen ausschütten. Für mich ein völlig gelungenes Beispiel wie die Dinge hier zusammenfließen.
Kultur Joker: Wie fließen innerhalb der Fabrik Wirtschaft, Soziales und Kulturelles zusammen?
Heide Serra: Wir haben hochprofessionelle handwerkliche Betriebe auf dem Gelände und auch soziale Einrichtungen. Dazu gehört etwa die Naturschule, die Kinderhausinitiative, die Sozialberatung friga oder auch die Hilfsorganisation Amica. In der Fabrik kommen Menschen zusammen, um Dinge zu bewegen. Vor 25 Jahren, während des Krieges in Bosnien wollten wir nicht tatenlos zuschauen, sondern helfen. In der Fabrik in Freiburg wurde dann diese Hilfe gebündelt. Es wurden Hilfsgüter gesammelt, LKWs beladen, hier war alles vollgestapelt. Von hier aus gingen die Transporte dann ins Kriegsgebiet und wurden dort verteilt. Vor Ort wurde zudem ein Schutzhaus für Frauen und Kinder errichtet. Bis heute ist Amica in 8 Ländern tätig, gesteuert wird alles von unserem Büro in der Fabrik aus. Die Hilfe ist auch aus dem Engagement der Menschen hier auf dem Gelände entstanden. Und diese Tradition setzen wir fort. Bei einem aktuellen Projekt vernetzen wir geflüchtete Frauen und Mädchen mit solchen, die schon länger hier leben. So stärken wir sie, schaffen Infrastrukturen und Gemeinschaft in der Stadt. Dabei arbeiten die Flüchtlingshilfe der Fabrik und Amica zusammen. Das ist ein typisches Beispiel für die sozialen und kulturellen Synergieeffekte, die hier auf dem Gelände entstehen und ins Land oder die Stadt ausstrahlen.
Thomas Bethmann: Zur Fabrik und Ökologie: Auf dem Gelände der Fabrik steht auch das erste Blockheizkraftwerk, das in Freiburg gebaut wurde. In der Freien Holzwerkstatt sage ich immer, dass unsere Freie Holzwerkstatt Möbel und Küchen in Freiburg mit grünem Strom produziert: Energie vom Fabrik-Solardach, Fabrik-Blockheizkraftwerk und den Elektrizitätswerken Schönau.
Kultur Joker: Wie organisiert sich die Fabrik intern?
Martin Wiedemann: Es gilt das Prinzip der Selbstverwaltung. Viermal im Jahr haben wir eine Mitgliederversammlung. Dort wird alles Wesentliche für die Fabrik gemeinsam beschlossen. Daneben gilt das Prinzip von Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Wir haben 2012 das Projekt Fabrik 2020 begonnen. Wir sehen einen Generationswechsel kommen und haben daher die Betriebe und einzelne Mitarbeiter gefragt, wo sie sich persönlich und ihren Betrieb in der Fabrik im Jahr 2020 sehen. Da nimmt man möglichst viele Leute mit und das Gemeinschaftliche ergibt sich automatisch. Man muss schauen, dass das eine transparente Sache ist. Deshalb haben wir seit 40 Jahren unsere Regeln und Verfahren und die funktionieren.
Kultur Joker: Wie wichtig sind der Fabrik Autonomie und Unabhängigkeit? Und wie stark agiert die Fabrik mit der Stadt Freiburg.
Thomas Bethmann: Unabhängigkeit ist immer wichtig, ob finanziell oder politisch, um frei aufspielen zu können. Das ist in der Kultur und in den Betrieben wichtig. Gleichzeitig wirkt die Fabrik auch in die Stadt hinein. Über ihr Kulturangebot, hochklassige Gastronomie und über innovative, qualitätsvolle Betriebe. Jeder einzelne Betrieb für sich, aber auch das soziokulturelle Zentrum der Fabrik mit allen, die hier arbeiten, schaffen einen besonderen Geist, den man auch in der Stadt spürt. Man hört immer wieder den Satz „Gehen wir doch in die Fabrik!“
Ich weiß, dass man hier gerne herkommt, gute Betriebe findet, sich generell gut aufgehoben fühlt. Mit dem Jubiläum wird ja auch ein großes Fest in die Stadt getragen.
Heide Serra: Die Fabrik ist für so viele verschiedene Menschen offen. Für die Kunden der Betriebe, für Kinder, für Kulturinteressierte, für sozial Engagierte. Da wird die Verschränkung mit der Stadt ganz offensichtlich. Für ein soziales Projekt wie Amica, das spontan und aus Solidarität heraus entstanden ist, ist die Unterstützung seitens der Fabrik, aber auch das Engagement der Freiburger und Freiburgerinnen, die uns durch ihre Spenden erhalten, sehr wichtig. Das ist auch ein Wechselspiel zwischen der Fabrik, den Betrieben und der Stadt.
Thomas Bethmann: Die Fabrik gehört einfach zu Freiburg!
Kultur Joker: Was ist jeweils Ihr Highlight bei der Feier am 16. Juni?
Thomas Bethmann: Auf jeden Fall sollte man eine Führung durch die Fabrik machen und durch die Betriebe. Und man sollte sich von der Funky Marching Band und den anderen Bands die Birne durchpusten lassen.
Heide Serra: Ich persönlich liebe den Markt, der an diesem Tag auch ein sehr sinnliches Entrée bietet. Wir von Amica bieten jede Menge Informationen zum Thema Menschenrechte, Arbeiten in Kriegsregionen und es gibt auch Aktionen zum Mitmachen.
Martin Wiedemann: Wenn man durch den Markt gegangen ist, wird man zu einem Stand gelangen, an dem sechs Winzer, die mit dem Vorderhaus zusammenarbeiten, ihre Weine vorstellen. Man kann guten Wein trinken, mit den Leuten schnacken und es gibt eine mobile Disco mit wirklich geilem afrikanischem Soul.
Die Fabrik feiert ihr Jubiläum am 16. Juni mit einem Tag der offenen Türen, Essen, Trinken und Tanzen in der Habsburger Straße 9 in Freiburg.
www.fabrik-freiburg.de
Bildquellen
- : Haupthaus der Fabrik in der Habsburgerstraße in Freiburg. ©Freie Holzwerkstatt