„Landnahme“ – Das Zeitalter des Menschen
Fotografien und Reliefs von Betty Beier in der Katholischen Akademie Freiburg
Was charakterisiert Landschaften, was unterscheidet sie voneinander und wie werden sie zum künstlichen Produkt? Kann man zugunsten der Natur sprechen? Solche Fragen beschäftigen Betty Beier und haben sie seit 1996 dazu gebracht, landschaftsverändernde Großbaustellen zu bezeugen, in Berlin und Stuttgart, aber auch etwa in Island und China. Ihr entsprechendes Kunstprojekt nennt sie „Erdschollen-Archiv“. Dieses besteht einerseits aus fotografischen Bildserien, die landschaftliche Umwälzungen dokumentieren, und andererseits aus „Erdschollen“, d.h. bildnerisch verarbeiteten Materialien einer Landschaftsveränderung oder eines Urbanisierungsvorgangs.
Eine „Erdscholle“ von Betty Beier besteht aus mindestens einem Quadratmeter authentischer Bodenoberfläche, die in Acryl oder Kunstharz dauerhaft fixiert wurde. Am jeweils ausgewählten Ort wird zunächst ein Gipsabdruck gefertigt, danach im Atelier, unter Verwendung von Materialien der Fundstelle, ein quadratisches Bild erstellt. Ergebnis ist eine Spurensicherung, bestehend etwa aus Lehm und Löss, Algen, Blüten, Stengeln, Reifenabdrücken, Tierspuren, Scherben. Die stoffliche Oberfläche dieser Bilder kontrastiert in ihrer Unregelmäßigkeit mit der konzeptuell geordneten geometrischen Form.
In der aktuellen Ausstellung geht es um zwei Beispiele technischer Großprojekte, die Landschaften gewaltig verändert haben. Z.B. wurde beim Bau des „Kárahnjúkar-Staudamms“ (Island) ein Stück Land komplett überflutet, ein weitgehend unberührtes Gebiet verschwand unter einem Stausee. Diesen Prozess verdeutlicht Betty Beier mittels einer fotografischen Sequenz sowie vierzehn „Erdschollenquadraten“.
Des weiteren rekonstruiert ihre Serie „Inden“ (in Nordrhein-Westfalen gelegen), wie, zum Zwecke des Kohleabbaus, sukzessive die Erdschichten eines Gebiets freigelegt wurden, von der landwirtschaftlich genutzten Fläche über verwitterte Siedlungsspuren bis hinunter zum Kohlenflöz – eine Zeitspanne von Jahrmillionen.
Die 1965 geborene Künstlerin, die in Saarbrücken und Freiburg studiert hat, beschäftigt sich mit Landschaften, die historisch und ökologisch − zwischen rapidem technischem Eingriff, natürlicher Entwicklung und Klimawandel − bemerkenswert sind. Mit konsequentem Engagement reist Betty Beier an fragwürdige, ja umstrittene Orte und entnimmt dabei einer überwältigenden Wirklichkeit Proben, die ihre Werke unspektakulär präsentieren; so gibt sie uns diskrete Denkanstöße über die Vernutzung der Welt durch den Menschen.
Betty Beier. Anthropozän. Das Zeitalter des Menschen. Ausstellung bis 27. November. Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg. Wintererstr. 1, Freiburg. 0761/31918-0. Öffnungszeiten: Mo-Do. 8.30 bis 18.15 Uhr, Fr. 8.30-15.30 Uhr. Info: www.erdschollenarchiv.de.
Cornelia Frenke