Interview

„Dynamik, die in der Region entsteht“

Im Gespräch: Andrew Holland, Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, über „Triptic – Kulturaustausch am Oberrhein“

Andrew Holland; Photo: Caroline Minjolle / PIxsil

Wenn sich einer in Sachen Kulturaustausch auskennt, dann er: Andrew Holland (46) – im November 2012 zum Direktor von Pro Helvetia gewählt – studierte Recht und promovierte über Kunstförderung. Seit 1986 ist er in unterschiedlichsten Funktionen in der Kultur tätig – als Veranstalter, Dramaturg und im Kulturmanagement. 2004 übernahm er die Leitung der Abteilung Tanz der Schweizer Kulturstiftung, wo er ab 2009 als Leiter des Bereichs Förderung sowie als stellvertretender Direktor wirkte. Im September ist auf Initiative von Pro Helvetia und der Schweizerischen Generalkonsulate in Straßburg und Stuttgart das trinationale Kulturaustausch-Programm Triptic angelaufen. Friederike Zimmermann sprach mit Andrew Holland darüber, wie es zu diesem Kulturaustausch kam, welche Rolle dabei die Sprachunterschiede spielen und wie es nach Triptic weitergehen wird.

Kultur Joker: Herr Holland, Sie wurden erst letzten Herbst als neuer Direktor von Pro Helvetia eingesetzt. Inwieweit trägt das Förderprogramm Triptic bereits Ihre Handschrift?
Andrew Holland: Als stellvertretender Direktor war ich in den letzten drei Jahren auf Geschäftsleitungsebene ebenfalls an der Konzeption von Triptic beteiligt. Insofern gehe ich davon aus, dass das Programm ähnlich ausgesehen hätte, wenn ich schon damals Direktor gewesen wäre. Doch will ich mich da nicht mit fremden Federn schmücken, denn die Stiftung hat Triptic gemeinsam mit lokalen Partnern – rund einem Dutzend Städte und Gebietskörperschaften – entwickelt.

Kulturjoker: Wie kam Pro Helvetia auf den Gedanken, Triptic ins Leben zu rufen?
Andrew Holland: Der Anstoß dazu kam vom Generalkonsulat in Straßburg. Wir diskutierten und überprüften zuerst das Potential, so verdichtete sich der Inhalt bis hin zum Konzept. Dadurch ist das Programm Triptic von den lokalen Akteuren breit abgestützt, was für uns immer sehr wichtig ist: in diesem Fall von den drei Ländern mit den Partnerstädten, Kantonen und Gebietskörperschaften sowie dem Forum Kultur der Oberrheinkonferenz – und schließlich auch von den Kulturschaffenden. Triptic ist ein gemeinschaftlich getragenes Projekt. Darin besteht seine Philosophie.
Kultur Joker: So wurde etwas, was in der Luft lag, aufgegriffen… Sie haben sicher davon gehört, dass vor wenigen Jahren in Freiburg mehrere Modelle einer möglichen (späteren) Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt in Erwägung gezogen wurden. Eines davon war die Idee, sich im Dreiländereck als „Kulturregion Oberrhein“ zu bewerben. Voraussetzung dafür wäre natürlich eine gemeinsame kulturelle Identität. Von den Freiburger Entscheidungsträgern wurde diese Idee jedoch damit abgeschmettert, eine grenzüberschreitende Bewerbung sei zu kompliziert. Warum klappt heute, was damals undenkbar war? Haben sich seitdem die Grenzen verflüssigt oder gibt es einen gesellschaftspolitischen Auslöser, dass dieses Programm gerade jetzt auf die Beine gestellt wurde?
Andrew Holland: Ich kenne die Voraussetzungen und Umstände dieser Bewerbung zu wenig, um hier ein Urteil abgeben zu können. Wir beobachten aber, dass der grenzüberschreitende Austausch für Kulturschaffende immer wichtiger wird. Im globalen Kontext erhält das Lokale gleichzeitig eine neue Bedeutung. Triptic ist innerhalb einer Serie von Austauschprogrammen der Schweizer Kulturstiftung entstanden, die wir seit einigen Jahren mit unseren Nachbarländern realisieren, so zuletzt mit der Region Rhône-Alpes und demnächst mit der Lombardei. Viele Kultureinrichtungen am Oberrhein hatten trinationale Ideen in der Schublade, die es zu verwirklichen galt. Die Beteiligten am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zusammenzubringen, dafür steht Triptic. Ich persönlich habe große Freude an den Projekten, denn sie resultieren wirklich aus einem Bedürfnis heraus.
Kulturjoker: Es wurden damals von Freiburger Seite auch immer wieder die sprachlichen Barrieren ins Feld geführt, die eine Bewerbung als Kulturregion erschweren würden. Doch auch dieses Argument scheint das Triptic-Projekt Lügen zu strafen. Wie funktioniert das denn bisher mit den verschiedenen Sprachen? Gibt es da erste Erfahrungsberichte?
Andrew Holland: Die ersten Erfahrungen mit Triptic zeigen, dass Kulturschaffende es gewohnt sind, über sprachliche Grenzen hinweg nach kreativen Wegen zu suchen, um sich untereinander zu verständigen. Sie müssen heute international funktionieren, sei es für die Weiterentwicklung, sei es für die Netzwerke. Sie sind es in der Regel gewohnt, in einem mehrsprachigen Umfeld zu arbeiten, dass bereits jetzt einige Kulturschaffende sagen: Das hier ist eine gute Erfahrung.
Kultur Joker: Es ist auffällig, dass trinationale Projekte derzeit vor allem von schweizerischer Seite ausgehen, man denke da zum Beispiel auch an die IBA Basel 2020. Glauben Sie, dass das mit der schweizerischen Sprachenvielfalt zu tun hat?
Andrew Holland: Dafür kann es viele Gründe geben. Ich möchte darüber nicht spekulieren. Kein Zweifel, in der Schweiz gehört die Mehrsprachigkeit zum Alltag. Das hat uns bei dieser Ausschreibung sicher geholfen. Weil wir es im trinationalen Raum nicht nur mit unterschiedlichen Sprachen, sondern auch mit Mentalitäten und Administrationen zu tun haben, haben wir die administrativen Hürden der Ausschreibung bewusst so tief wie möglich gehalten.
Kultur Joker: Ich werde darüber auch mit den Künstlerinnen und dem Künstler des demnächst im Kunstverein Freiburg stattfindenden Projektes „Grenzgänger“ sprechen und bin gespannt, was sie diesbezüglich zu berichten haben.
Andrew Holland: Man muss nicht die Augen verschließen und sagen, sprachliche Barrieren seien nie ein Problem. Natürlich ist es immer eine Herausforderung, wenn sich zwei Menschen treffen, die keine gemeinsame Sprache haben. Wir hatten aber nicht den Eindruck, dass sich die Kulturschaffenden davon abschrecken ließen. Außerdem lassen sich mögliche Sprachbarrieren überwinden, sofern das Bedürfnis, zusammen zu arbeiten, und die Neugierde aufs gemeinsame Projekt groß genug sind. Schließlich sind es Kulturschaffende ja gewohnt, nach kreativen Lösungen zu suchen.
Kultur Joker: Welche Erwartungen stellen Sie an Triptic?
Andrew Holland: Das erste Ziel ist es, die trinationale Zusammenarbeit anzukurbeln. Wir hatten ja vorher auch schon internationale Projekte. Was hier aber ganz neu hinzukommt ist, dass nun Kulturschaffende und Kulturinstitutionen aus drei Ländern zusammenarbeiten. Wir wollen erreichen, dass daraus gute Projekte entstehen und dass diese auch weiter gehen. Grenzüberschreitende Kooperationen können dem Kulturleben der ganzen Region neue Impulse geben.
Kultur Joker: Wie wird es denn – um am Ende noch die „Gretchenfrage“ zu stellen – nach Beendigung des Projekts im Mai 2014 mit Triptic weitergehen? Wird es eine weitere Förderung vonseiten Pro Helvetia geben? Oder müssen die Kulturschaffenden der drei Länder bis dahin das Aufeinander-zu-Laufen gelernt haben und selbständig kooperieren?
Andrew Holland: Kulturschaffende können auch nach Abschluss von Triptic jederzeit Gesuche für Folgeprojekte bei uns einreichen. Der Austausch mit dem Ausland ist unser Kerngeschäft. So gehen gut zwei Drittel unserer Gelder an internationale Projekte. Natürlich können wir nicht im Kaffeesatz lesen. Aber wir würden uns sehr freuen, wenn Partnerschaften aus Triptic weitergeführt oder gar ausgeweitet werden. Und die bisherigen Feedbacks der Kulturschaffenden zeigen, dass sie weiter machen möchten.
Kultur Joker: In jedem Fall wurde mit Triptic etwas Wunderbares angestoßen, von dem wir alle kulturell profitieren können…
Andrew Holland: Ja, und es war von Anfang an eine spannende Zeit! Ich freue mich über die Dynamik, die in der Region entsteht.
Kultur Joker: Wir sind gespannt auf die einzelnen Projekte! Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!